Arbeitstag mit 764 484 am 25.06.1992 auf der Wassertalbahn
Nach einer zeitaufwendigen nächtlichen Bahnfahrt mit dem Corona-Express von Covasna her (siehe
)
sind wir schließlich in Viseu de Jos gelandet, verpassen aber den Anschlußzug nach Borsa. Was nun? Etwas entnervt laufen wir zur Hauptstraße vor,
und siehe da, ein klappriger Bus nach Borsa hält da wenig später an der kaum erkennbaren Haltestelle. Schnurgerade verläuft die Straße,
der Bus erreicht mit beachtlicher Geschwindigkeit den nächsten Ort Viseu de Sus, Aussteigen an der Strada Carpati, keine Zeit für ein Quartier,
also Fußmarsch mit Gepäck zum Bahnhof der Wassertalbahn, an dessen Umzäunung entlang zur Ausfahrt in Richtung der Berge, dorthin, wo auch schon
eine illustre Gesellschaft höchst unterschiedlicher Fahrgäste auf die Fahrt ins Wassertal wartet. Erleichterung! Wir haben den letzten von drei
morgendlichen Produktionszügen nicht verpaßt! Im Ausweichgleis steht er schon bereit: Ein windschiefer Personenwagen, dahinter eine Anzahl von
leeren Holztrucks.
Wenig später taucht auch die Dampflok auf: Schwankend nähert sich 764 484, einen Güterwagen mit Holz hinter sich
herziehend. Eulen nach Athen? Nein, im Jahr drei seit dem Ende des Sozialismus hat man die Feuerung mit Kohle aufgegeben, aber das Holz muß eben auch
von den Waldbesitzern gekauft und kann nicht einfach im Wald eingesammelt werden. So wird der mit Scheiten gefüllte Güterwagen bei der abendlichen
Rückkunft des Zuges fast leergeräumt sein....
Aber nun hebt Geschäftigkeit an, schnell ist die Lok angespannt, ein langgezogener Pfiff läßt die Fahrgäste einsteigen und rumpelnd setzt sich
die Fuhre in Bewegung, um nach ein paar Minuten die letzten Häuser von Viseu de Sus hinter sich zu lassen und ins hier noch recht breite Wassertal einzutauchen.
Nach 3,6 Kilometern wird ein erster Halt eingelegt, am Streckenkilometer 6,8. Valea Scradei heißt
der Weiler, auf Zipserisch auch Schradental, benannt nach einem kurz vor der Ortschaft abzweigenden Seitental. Pause. Wer möchte, kann sich
im danebenliegenden Magasin Mixt mit Lebensmitteln eindecken oder noch einen Kaffee trinken. Nein, das was Sie jetzt denken, das gilt erst auf der Rückfahrt...
Das Personal plauscht ein wenig untereinander oder mit den immer für eine Abwechslung zu habenden Einwohnern, während die Dampflok gemütlich vor sich hin
schmaucht. Wenn auch diese Waldbahn eher zu den größeren zählt, so geht es, wie auf diesen Bahnen üblich, recht familiär zu, man kennt sich untereinander
und arbeitet miteinander ohne Hektik und Streß.
Die sich entwickelnde Rauchwolke aus dem Schornstein der Lok kündigt nun aber doch die baldige Weiterfahrt an, ein paar Holzscheite lassen den Dampfdruck
in ihrem Kessel schnell ansteigen und wenig später ermahnt ein durch den stillen Ort gellender langgezogener Pfiff Personal und Reisende zum Einsteigen.
Rumpelnd setzt sich der Zug kurz darauf in Bewegung, um weiter in das wunderbare Wassertal einzutauchen.
Ohne Wasser kein Dampf! Davon besitzt die Waldbahnlok naturgemäß nur einen kleinen Vorrat.
Kein Problem bei der dem Flußtal folgenden Strecke, mit der Injektorpumpe kann überall Wasser genommen werden. Aber hier, etwa zwei Kilometer von Valea Scradei
entfernt gibt es sogar einen Wasserkran, den einzigen auf der Bahn! Man nutzt einen Bergbach, das Wasser fließt ständig durch das Rohr, welches nur noch
über den Wasserkasten der Lok gedreht werden muß. Auch der zweite Betriebsstoff neben dem Wasser, das Holz, wird während des Aufenthalts auf den Führerstand
der Lok nachgeladen und zu einem Teil gleich in die Feuerbüchse befördert, um den Dampfdruck für die Weiterfahrt wieder zu erhöhen.
Der Kilometer 12,4 ist erreicht: Novat heißt die Ausweiche, nicht zu verwechseln mit dem 400 Meter
entfernten Gleisdreieck Novat Delta. Außer einem kleinen, frisch in gelber Farbe gestrichenen Dienstgebäude und einem Holzschuppen mit Draisinen-Unterstand
gibt es hier aber nichts außer dem jetzt gerade haltenden Zug. Einige Fahrgäste in das Valea Novat steigen hier aus, da es heute keinen Zug nach Poiana Novat
gibt, heißt es für sie, die dreieinhalb Kilometer bergan auf Schusters Rappen zu bewältigen. Währenddessen wird wiederum Holz nachgeladen,
der Verbrauch der Dampflok ist enorm und der Vorrat auf dem Güterwagen lichtet sich zusehends. Noch ein letzter Blick von der Flußseite auf die
stimmungsvolle Szenerie, dann wird auch schon die Weiterfahrt angekündigt und kurz darauf poltert der Zug über den Novat-Fluß und weiter ohne anzuhalten
durch das Gleisdreieck Novat Delta.
Plötzlich hält der Zug mitten im Wald in km 16,0 am Anschluß Glimboaca. Die Lok spannt ab und dampft nach Umlegen
der vor ihr befindlichen Weiche in ein das Flußbett auf einer Behelfsbrücke überquerendes Anschlußgleis ein, um dort zwei mit Stämmen beladene Trucks aufzunehmen.
Der Sinn der Übung wird mir erst klar, als sie diese nach dem Wiederankuppeln vor sich her nach Cozia, dem nächsten Bahnhof, schiebt: Im nur geringen Gefälle
eines Bahnhofs kann man einen der schweren, nur handgebremsten Züge auf der Rückfahrt aus den Bergen besser anhalten, um die beiden Wagen mitzunehmen,
als im starken der Anschlußstelle.
Leider habe ich von den Rangierbewegungen in Cozia keine Bilder gemacht, und auch der Anschluß
Novicior wird ohne Halt durchfahren. Dafür gibt es einen Kilometer weiter in Paltin (km 21,6) den nächsten Wasserhalt. Diesmal wird der von der auf
einer kleinen Brücke zum Stehen gekommenen Dampflok mitgeführte Schlauch in den darunter fließenden Bach getaucht und das Wasser mittels der Injektorpumpe
angesaugt. Ziemlich einsam liegt der Bahnhof mitten im Grünen, noch ist von der im nächsten Jahrzehnt beginnenden touristischen Nutzung durch die hier im Sommer
wendenden dampfbespannten Touristenzüge nichts zu ahnen. Bald wird es hier Kioske, einen von Bänken gesäumten Grillplatz, einen Naturlehrpfad und einiges mehr
geben. Bis das alles verwirklicht ist, kann man hier allerdings noch auf den Felsen herumklettern oder versuchen, die friedlich vor sich hin schmauchende
Lokomotive aus verschiedenen Perspektiven im unberührten Grün auf den Film zu bannen. Aber Vorsicht! Da setzt sich doch der Zug plötzlich ohne Vorwarnung
in Bewegung! Glücklicher weise hält der freundliche Lokführer noch einmal kurz an, um mir das Aufsteigen in den Personenwagen zu ermöglichen.
Vieleicht wollte er mir ja auch nur einen Gefallen tun und mir den Rückweg zum Zug ersparen?
2,5 Kilometer später ist Bardau erreicht. Ein mangels Weichen für das Rangiergeschäft ungünstiger und wegen
des Versinkens im Schlamm für den Fotograf eher ungastlicher Ort. Keine Chance, zu dem in der Ausfahrt befindlichen Hügel zu gelangen, um von dort
ein Panoramabild aufzunehmen, dies wird mir erst im Jahr 2011 mit einem Fotogüterzug gelingen. Also ein weiteres Bild mit dem sich hinter einer
Fertigteilbaracke befindlichen Bahnhofsgebäude gemacht und wieder eingestiegen, weil es gleich weitergeht. Und jetzt wird's interessant: Drei kurze Tunnel
werden durchfahren, allerdings wiederum ohne Bilder zu machen. Dazu sei nochmals auf den September 2011 verwiesen.
Gleich nach dem letzten Tunnel beginnt der Bahnhof Botizu: Ein längerer, ziemlich gerader Abschnitt wird vom
ankommenden Zug durchfahren, an dessem Ende das Dienstgebäude in einer Kurve den zweigleisigen Bereich abschließt. Der Zug hat gehalten und schon kehrt Leben
an dem recht einsamen Ort ein: Einige Passagiere, vielleicht Holzfäller oder Beerensammler, steigen hier aus, Fracht ist auszuladen und mit dem hier
ausharrenden Bahn-Mitarbeiter ist die Weiterfahrt des Zuges abzusprechen.
Man beachte auf dem linken Bild den Pausensitz für den Waldbahner, während ganz hinten der Tunnelmund auszumachen ist.
Nun erreicht der Zug Faina, den größten Ort im Wassertal, am Streckenkilometer 31,2 gelegen.
Aber auch hier gibt es nur ein Ausweichgleis, auf welchem der erste, schon wieder auf der Rückfahrt befindliche Produktionszug auf die Streckenfreigabe
in Richtung Viseu wartet. Leider habe ich von diesem nur die beiden letzten Wagen festgehalten. Und auch hier: Betriebsamkeit, wohin das Auge blickt,
allerdings ohne in Hast und Hektik zu verfallen. Auch das Führerhaus der Dampflok will wieder mit Holzscheiten gefüllt werden, denn die Fahrt ist noch
lange nicht zu Ende. Wobei ich volles Vertrauen in das Ausreichen der inzwischen rapide abgenommenen Holzmenge auf dem Plattenwagen habe.
Ca 150 Meter später ist der nächste Bach erreicht, wo der Durst der Dampflok erst einmal wieder gestillt werden muß.
Also: Halten kurz vor der Brücke, den mitgeführten Schlauch in das Wasser getaucht und fleißig gesaugt. Ein Holzverrücker taucht auf, mit seinem aus zwei
Pferden bestehenden Gespann hat er wohl eine Furt durch den Fluß genutzt, kommt aber jetzt erst einmal nicht weiter. Der Zug ist, im Gegensatz zum Fluß,
ein unüberwindliches Hindernis für ihn und läßt sich nicht so bald zum Weiterfahren bewegen. Durch das Dornengestrüpp sollen die Pferde dann doch nicht
getrieben werden. Und-sehen Sie die leeren Trucks im Auweichgleis? Die haben wir mitgebracht und hier zur Beladung abgesetzt.
Langsam gewinnt der Zug an Höhe, was sich insbesondere darin zeigt, daß die umliegenden Berghänge niedriger
werden. Nach ca vier Kilometern ist der nächste Bahnhof erreicht, hier in Miraj wartet der zweite Produktionszug mit 764 469 auf unsere Ankunft, um in Richtung
Viseu weiterrollen zu können. Aber gemach! Erst einmal stellt sich unsere Lok neben die wartende, um einen Plausch der Personale zu ermöglichen, während sich der
Rest der Mannschaft, Bremser und Zugführer, in das Gras davor setzt. Ziemlich kurz ist unser Zug geworden, er besteht nur noch aus dem Platten-, dem Dienst- sowie
dem Personenwagen. Zum Glück scheint es aber noch Passagiere zu geben, die an das Ende der Strecke gebracht werden wollen! Es wäre wirklich schade, wenn man schon
hier umkehren würde! Also weiter! Bei Abfahrt noch eine Sequenz vom Kameramann, der Gegenzug scheint es wirklich nicht eilig zu haben....
Unter Volldampf geht es jetzt nach Passieren des Weilers Macarlau einen steilen Anstieg hinauf, um
die Höhe der Mauerkrone einer ehemaligen Klause zum Flößen von Holz zu überwinden (Wegen Bildern sei auf meinen Reisebericht von 2011 verwiesen). Noch einen
Kilometer weiter und Valea Babii ist erreicht, ein Ausweichgleis und weiter hinten eine Herberge. Hier stehen ein Plattenwagen mit einem seltsamen
Metallteil beladen und ein Personenwagen im Weg. Beide werden von der Lok über die Ausfahrweiche geschoben, woraufhin der Personenwagen mittels Schwerkraft
in das Überholgleis rollt. Aber was passiert mit den Plattenwagen? Erst einmal überhaupt nichts, denn jetzt wird zuerst wieder einmal Holz umgeladen und
gleichzeitig ausgiebig über ein leider unbekannt gebliebenes Thema diskutiert.
Und nun dürfen Sie rätseln: Ich habe keine Ahnung, wo der Plattenwagen mit seiner seltsamen Fracht zu welchem Zweck
abgeblieben ist. Er kann eigentlich nur nach Catarama geschoben worden sein, denn nur dort gibt es bis zum Endbahnhof Coman, wo er sich nicht mehr vor der Lok
befand, noch ein Ausweichgleis.
Ein weiterer ziemlich steiler Anstieg führt etwas aus dem Tal mit seinem hier schon recht schmalen
Flüßchen heraus zum Endpunkt der mit Lokomotiven befahrbaren Strecke, nach Coman. Ein bißchen mulmig ist uns hier doch, da hier die ukrainische Grenze ziemlch
nahe ist und die am Bahnhofsende befindliche Kaserne der Grenztruppen zwangsläufig mit auf das Bild gerät, als die Lok abgekuppelt wurde und nun zum Umfahren der
Wagen auf das Ausweichgleis rollt, während von weiter oben zwei beladene Holztrucks heranrollen und gekonnt von den Bremsern
vor dem Wagenzug zum Stehen gebracht werden. Die Lok bleibt neben den Wagen stehen und Ruhe kehrt ein. Allzu eilig hat man es bei einer Waldbahn
eben nicht.
Irgendwann dampft man schließlich weiter zum anderen Bahnhofskopf und kehrt wenig später wieder
mit Schrittempo durch den Dunst zum Zug zurück, ein Stück begleitet vom gerade ausgestiegenen Zugführer. Der Bolzen scheppert
in den Kupplungsbügel, und angekuppelt ist. Fertig zur Abfahrt! Gleich geht es los, unter den Blicken von Zaungästen. Nun sind funktionierende Bremsen gefragt!
Allzu weit fährt der Zug allerdings nicht. Hinter Catarama findet sich ein idyllisches Plätzchen
mit ein paar Steinen, worauf man sich setzen und alle Viere gerade lassen kann. Eine Zeit lang passiert nichts. Zeit, den Zug gemütlich zu umrunden,
ein Bild mit der sich in einer Pfütze spiegelnden Dampflok zu versuchen und auch die drei mitfahrenden wackeren Grenzschützer einmal auf Film zu bannen.
Nächster Halt ist in Valea Babii. Die beiden Holztrucks werden festgebremst und abgekuppelt, der Zug zieht vor und stößt in
das Ausweichgleis zurück, um den dort wartenden beladenen Truck aufzunehmen. Zurück damit auf das Hauptgleis und dort alles wieder vereinigt. Weiter geht es auf diese Weise:
Überall sind beladene Holztrucks einzusammeln.
Faina ist erreicht. Einige Neugierige haben sich auf dem Bahnhof eingefunden, darunter auch Kinder, man scheint allerdings auf irgendetwas zu warten.
Das Rätsel löst sich, als uns auf dem Nachbargleis ein gar seltsames Gefährt überholt: Eine auf einem einzelnen Truck aufmontierte Arbeitsplattform, gekuppelt mit einem fahrbaren
Dieseltank und einem Begleiterwagen. Da dieses Gefährt nicht zu rangieren braucht, ist es bergab natürlich viel schneller unterwegs, so schnell, wie es die Handbremsen erlauben.
Das Personal sollte bloß aufpassen, daß es nicht auf ebenen Abschnitten anhält.
Die nächsten Bilder stammen dann aus Botizu. Der Zug hält in der langen Geraden, um weitere Wagen aufzunehmen.
Diesmal aber etwas anders: Die Holztrucks werden von der Lok über die hintere Ausfahrweiche geschoben und rollen dann von hinten auf den Zug, während die Maschine
wieder an dessen Spitze zurückkehrt. Deutlich ist auf dem rechten Bild das Portal des unmittelbar an den Bahnhof anschließenden Tunnels auszumachen.
Die lange Nacht in einem Zug der rumänischen Staatsbahn fordert inzwischen ihren Tribut. Von weiteren Aktionen außerhalb des Zuges gibt es keine Aufzeichnungen mehr.
Allerdings zeigen zwei Bilder von der dem Personenwagen hinterher scheppernden und rumpelnden Wagenschlange von deren doch vorzeigbarer Länge: Bei Bardau (linkes Bild) sind es noch
reichlich zehn beladene Wagen, beim Durchfahren von Novat dann schon fünfzehn. Und auf jedem dritten oder vierten Wagen wartet ein Bremser auf die Pfiffe der Lok, um die Bremsen anzuziehen oder
auch ein wenig weiter zu lösen. Eine verantwortungsvolle, und vor allen Dingen auch gefährliche Aufgabe! Es kommt zuqweilen vor, daß sich Holzstämme, unsachgemäß geladen, verschieben und dann
die Bremserbühne deformieren oder schlimmstenfalls einfach abrasieren, samt Bremser, so der nicht rechtzeitig abspringen kann. Verbeulte Metallteile an manchen Trucks zeugen davon....
Viseu de Sus ist erreicht. Lok, Personen- und Plattformwagen werden abgekuppelt und verdrücken sich in das Depot, die Bremsen der Holzwagen
gelöst, woraufhin diese schwankend das Depot in Richtung Entladeanlage durchfahren und dort von den Bremsern zum Stehen gebracht werden. Und wir schleppen unser Gepäck zum schon auf dem Hinweg
erspähten (einzigen) Hotel des Ortes, bekommen dort auch eine Schlafstätte und sinken nach einem Abendbrot, an dessen Umfang und Qualität ich keine Erinnerungen mehr habe, in Morpeus' Arme.