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Verunglückter Wintertag im Harz


Zum Jahreswechsel 1988/89 stand zu befürchten, daß die "Harzkamele" langsam aber sicher den Planzugbetrieb auf den Schmalspurstrecken des Harzes übernehmen würden und den dort noch verkehrenden Dampfloks nur noch ein Museumszugbetrieb bleiben würde. So war es das erklärte Ziel der Deutschen Reichsbahn, an die Wende mit der Reaktivierung der Brockenbahn war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu denken. Also hieß es, auch bei widrigen Witterungsbedingungen den Dampfbetrieb dort noch so oft wie möglich zu besuchen....
Und so stehe ich wieder einmal am Abend des 17.02.1989 abends auf dem Bahnsteig C des Bf Berlin-Schöneweide, D 648 nach Magdeburg fährt pünktlich ab. Aber was ist das? Abbiegen in Sad, weiter über Wendenheide nach Eichgestell und über den nördlichen Außenring geht die Fahrt! Im Stop and Go schleicht der Schnellzug hinter Güterzügen her, erreicht schließlich in Werder (Havel) wieder seinen Regelweg und hält um 00:20 Uhr, genau eine Stunde später, in Brandenburg. Na, mir soll's recht sein! Ein wenig Schlaf in den Abteilwagen, dann stehe ich kurz vor 02:00 Uhr auf dem Magdeburger Hbf. P 8442 nach Halberstadt steht schon bereit, schnell noch am Nachtkiosk einen Kaffee konsumiert, dann verheißt eines der immerhin schon spärlich vorgeheizten Abteile noch eine Weile Schlaf. Irgendwann kurz nach 04:00 Uhr ruckt der Zug an und schaukelt mich durch die Börde in Richtung Halberstadt.
Aber was ist das? Vier Transportpolizisten kontrollieren hochnotpeinlich, schauen auch in meine Tasche, geben sich nicht so recht mit meinem Outing als Eisenbahnfan zufrieden, ziehen aber dann wieder ab. Irgendwas ist anders an diesem Morgen! Auch im P 17432 nach Wernigerode erfolgt wieder eine ausgiebige Kontrolle, der zufällig mitgeführte Schraubenzieher weckt diesmal das Interesse der Trapozisten. Ja glauben die, ich will damit den Grenzzaun abschrauben? Und dann nach dem Aussteigen in Wernigerode: "Kommen Sie mal mit zur Klärung eines Sachverhaltes!" Hinein in die Baracke neben dem Empfangsgebäude mit ihren Pappwänden, lautes Telefonieren im Nebenzimmer, wo in den Hörer verkündet wird, daß man einen Bürger mit Verdacht auf Republikflucht hätte, und wie man nun mit diesem weiter verfahren solle. Scheiße! Meinen Zug in den Harz kann ich wohl vergessen! Nun heißt es, zu warten, irgendwie werden die Flüchtlingsjäger langsam unruhig, je länger eine Direktive der Vorgesetzten ausbleibt. Da mir der sozialistische Staat bislang kein Telefon spendiert hat, geht deren nächste Idee, meine Frau mit meinen Fluchtgedanken zu konfrontieren, so einfach nicht zu verwirklichen. Sie versuchen es bei meinen Eltern, meine Mutter verneint diese subversiven Gedanken entschieden (Wie sie mir später erzählt!).
Was nun? Das Telefon im Nachbarraum klingelt, der Vorgesetzte scheint meine Harmlosigkeit als Eisenbahnfan zu bestätigen - darüber gibt es bestimmt schon viele Einträge bei den "Organen". Etwas zerknirscht läßt man mich nun frei, erinnert mich noch daran, nicht das Grenzgebiet zu betreten und bietet mir sogar noch einen Kaffee an, den ich aber dankend ablehne. Nur raus hier! So um 07:00 Uhr ist es nun schon, der Zug in den Oberharz dampft schon auf Drei Annen Hohne zu!


Nichts los auf dem Schmalspurbahnhof! Eigentlich wollte ich heute von Benneckenstein nach Eisfelder Talmühle wandern, da komme ich aber nun vor der Mittagszeit nicht mehr hin, zu spät für einen Februartag! Als Alternative steht P 14431 nach Schierke schon bereit. Aber wieder nur nach Drei Annen Hohne fahren? Und auch noch mit einer Diesellok (199 863). So laufe ich hinüber zum Busbahnhof, studiere die Fahrpläne und finde immerhin einen Bus um 08:00 Uhr nach Hasselfelde über Stiege. Genügend Zeit noch, über den Bahnhof zu schlendern und die im Bw mit geöffneter Rauchkammertür stehende 99 6001 zu fotografieren. Ein Mitarbeiter ist gerade beim Ziehen der Lösche, einer nicht eben angenehmen Tätigkeit.

199 863 in Wernigerode 99 6001 in Wernigerode 99 6001 in Wernigerode

Gegen zehn Uhr lande ich so in Stiege, mit Hoffnung, daß der vormittägliche Güterzug noch nicht durch ist! Und er ist es noch nicht! Pünktlich um 10:15 Uhr rollt 99 7232 mit Ng 67092 in den Bahnhof, allerdings nur mit zwei Wagen für Hasselfelde, ein dienstbarer Geist nimmt die Zugpapiere in Empfang und kurz darauf dampft man weiter. Für diesen Fall ist im Fahrplan der Bedarfsplan 75722 von Stiege nach Hasselfelde im Fahrplan vorgesehen, Ng 67092, welcher eigentlich nach Silberhütte weiterfahren müßte, endet dann hier.

99 7232 in Stiege 99 7232 in Stiege

Nur kurz ist der Aufenthalt der Lokomotive in Hasselfelde. Schon um 11:15 Uhr dampft sie wieder heran, diesmal nur mit einem Wagen am Haken. Ng 67091 heißt die Rückleistung nach Nordhausen und man muß sich beeilen, da man bis 11:45 Uhr in Eisfelder Talmühle sein muß, zur Kreuzung mit P 14414. So erlebe ich eine wunderschöne Vorbeifahrt, welche mich sogar ein wenig mit dem einsetzenden Regen versöhnt. Vom Winter künden an diesem Tag nur die Schneereste am Waldrand.

99 7232 in Stiege 99 7232 in Stiege 99 7232 in Stiege

Eine knappe Stunde später trifft 99 7247 mit P 14463 von Gernrode ein. Der Zug endet hier, die Reisenden (immerhin sind Winterferien!) verkrümeln sich ob des Regens recht schnell, die Lok wird abgekuppelt und setzt zum Ostkopf des Bahnhofs um, wo das Wassernehmen mittels Schlauchanschluß stattfindet. Auch zu Schrauben gibt es bei einer Dampflok immer etwas!

99 7247 in Stiege 99 7247 in Stiege
99 7247 in Stiege 99 7247 in Stiege 99 7247 in Stiege

Kurz darauf trifft P 14414 aus Nordhausen Nord ein. Beim Passieren des Ostkopfes entstehen die unten angefügten Bilder, wobei das mittlere als Panorama aus dem linken und einem anderen, nicht so recht vorzeigbarem entstanden ist. Na, schauen Sie selbst! Ich aber flüchte nun in einen der warmen (und trockenen) Wagen von P 14464 und lasse mich von 99 7247 nach Silberhütte ziehen.

Rendezvous in Stiege Rendezvous in Stiege P 14414 in Stiege

Silberhütte, im Jahr 1989 der wohl häßlichste Ort im Harz, voll mit alternden Werkhallen, einem neuen Kohleheizkraftwerk, aufgeständerten Leitungen. Eben DDR! Schnell den matschigen Weg nach vorne gerannt, da bullert die Lok auch schon zwischen den maroden Werkhallen hindurch weiter in Richtung Alexisbad. Trotz des miserablen Wetters ist aber die letzte Bühne des Wagenzuges mit Neugierigen besetzt.

99 7247 in Silberhütte P 14465 verläßt Silberhütte

Nun heißt es, auf dem Mittagsgüterzug Ng 67094 aus Nordhausen zu warten. Da der morgendliche Zug ja nur nach Hasselfelde gefahren ist, besteht große Hoffnung, daß nun etwas hierhin zu befördern ist. Und er kommt! Kurz vor 15:00 Uhr bullert 99 7231 die leichte Steigung zum Bahnhof herauf. Sie hat in dem vorher gelegenen Anschluß Rinkemühle schon die Holzfrachten abgeholt und hat mit den aus Nordhausen herangebrachten Wagen nun fünf beladene am Zughaken! Der Rangierleiter steht auf dem letzten Wagen schon bereit, abzuspringen und die Weichen zum Anschluß Heizkraftwerk umzustellen.

99 7231 vor Silberhütte 99 7231 vor Silberhütte 99 7231 vor Silberhütte

Schnell sind beide Weichen umgestellt, und auf das Signal des Rangierleiters drückt der Zug in den Anschluß zurück. Bei fünf über Kuppelstangen verbundenen, beladenen Wagen ist das immer eine gefährliche Sache, zumal es bis zur Selkebrücke auch en wenig bergauf geht. Entsprechend vorsichtig agiert auch der Lokführer. Aber alles geht gut und die Fuhre verschwindet im Anschluß, wohin ich mich nicht so recht hineintraue. Noch einmal in die Hände der Transportpolizei möchte ich an diesem Tag nicht unbedingt fallen!

99 7231 in Silberhütte 99 7231 in Silberhütte 99 7231 in Silberhütte

Nun wird es Zeit für den Nachmittagspersonenzug P 14465 von Gernrode nach Hasselfelde. Der Rangierer hat die Weiche wieder in Richtung der Strecke nach Straßberg zurückgestellt, den Flankenschutz aber offenbar vergessen. Na, macht nichts! 99 7244 beeindruckt das offenbar nicht, als sie an mir vorbeibollert. Was nun? Es regnet weiter in Bindfäden, Nässe durchdringt inzwischen meine Kleidung. Meine Lust, hier bis zum nächsten Personenzug nach Gernrode um 18:20 Uhr zu warten, hält sich in Grenzen, zumal ich dann eine weitere Nacht zusammen mit Zügen der Deutschen Reichsbahn verbringen müßte. Also mache ich mich auf den Weg nach Alexisbad, der Marsch über 3,2 Kilometer fördert die Durchblutung und wärmt meine doch schon recht klammen Glieder.

99 7244 in Silberhütte

Immerhin bekomme ich in Alexisbad noch eine Mallet-Lok zu Gesicht! Pünktlich um 16:00 Uhr rollt 99 5906 mit Gmp 69725 aus Harzgerode in den Bahnhof, setzt schnell um und steht wenige Minuten später schon mit P 14459 zurück nach Harzgerode bereit zur Abfahrt. (Anmerkung: Zum Jahresfahrplan 88/89 wurden laut Berichtigungsblatt Nr.1 einige zusätzliche Züge auf den Harzstrecken eingelegt bzw auch Züge beschleunigt, zu den ersteren gehörten auch die hier genannten!)

99 5906 in Alexisbad 99 5906 in Alexisbad
99 5906 in Alexisbad 99 5906 in Alexisbad 99 5906 in Alexisbad
99 5906 verläßt Alexisbad 99 5906 verläßt Alexisbad

Pünktlich um 16:10 Uhr ertönt ein Pfiff und die Garnitur verläßt den Bahnhof, schnaufend zieht die Mallet an mir vorüber. Diesmal tut es sich kein Eisenbahnfreund an, im strömenden Regen da auf der letzten Plattform die Fahrt zu genießen.
Schnell verkrümle ich mich, durchnäßt wie ich bin, in den Warteraum und überdaure dort die halbe Stunde bis zur Rückkehr des Zuges, nunmehr mit Weiterfahrt nach Gernrode als Gmp 69716.

99 5906 in Alexisbad

Um 16:45 Uhr ist es dann schon fast dunkel. Schnell in den warmen ersten Wagen und sich einlullen lassen vom Schaukeln des Zuges und vom Bullern der Lokomotive heraus aus dem Selketal nach Sternhaus-Ramberg. Aber vorher noch in Mägdesprung einen Blick auf die mit dem letzten Zug des Tages in den Harz, P 14457, wartende 99 7247 geworfen. Als ich dann kurz vor 18:00 Uhr in Gernrode aus dem Zug steige, ist es dann ganz dunkel, und auf dem Regelspurbahnhof wartet schon P 8418 nach Quedlinburg.

Zugkreuzung in Mägdesprung

Vierzig Minuten bleiben mir in Quedlinburg, um etwas zu essen und zu trinken. Immerhin hat die Bahnhofs-MITROPA geöffnet! So steige ich schließlich kurz nach 19:00 Uhr in den D 2049 mit seinen Kurswagen nach Berlin und erreiche auch kurz vor Mitternacht pünktlich den Bahnhof Berlin-Schöneweide, diesmal ohne Umleitung über den Nördlichen Außenring.
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