Nach einer Nacht mit unruhigem Schlaf, alleine mit unzähligen Hirsch- und Keilerköpfen in einer riesigen Villa
( ) wachen wir auf, als die Dämmerung ihr fahles Licht durch das Fenster unseres Zimmers schickt.
Regentropfen pladdern gegen die Scheiben, trommeln auf die blecherne Dachrinne, um sich zu einem plätschernden Strom im Fallrohr neben unserem Domizil
zu vereinigen. Einfach liegenbleiben? Nein, dazu sind wir nicht hergekommen! Es kostet aber einige Überwindung, aus dem warmen Bett zu steigen und
durch den langen, ins Halbdunkel getauchten Flur zum Bad zu trotten, um sich ein wenig frisch zu machen. Feuchtigkeit liegt in der Luft, das Brot vom Vortag
ist pappig geworden, aber wir haben ordentlich Hunger und vertilgen es, zusammen mit dem Inhalt von Wurstbüchsen. Nach dem Frühstück dann nützen alle
Verzögerungsversuche und hoffnungsvollen Blicke zum Himmel nichts mehr, wenn wir Bilder machen wollen, müssen wir hinaus in den Regen,
von dem kein Ende abzusehen ist.
Also hinaus, die Große Bosca mittels der schwankenden und mit glitschigen Bohlen belegten Hängebrücke überquert und zum Bahnhof gelaufen, genauer gesagt, zum Lokschuppen,
über dem schon von weitem verheißungsvoll aufsteigende Dampfwolken auszumachen sind.
Und da wartet sie auf uns, die am Vortag angekündigte 764 455, die einzige Lok hier in Comandau mit dem Hoheitszeichen "CFF" an der Rauchkammertür!
Gemütlich schmaucht sie im Regen vor sich hin. 764 379 dagegen steht unter Ruhefeuer im Schuppen, es wird also heute keine zweite Maschine im Einsatz geben.
Wenig später taucht der Lokführer auf und begrüßt uns freundlich. Wohin soll es den heute gehen, bedeuten ihm unsere Gesten? Siklo! Also los an die Strecke!
Wir verlassen den Lokschuppen und passieren kurz darauf das danebenliegende Draisinen-Bw. Ein LKW wartet hier auf neue Aufgaben, ob intakt oder nicht,
ist bei dem Zustand dieser Fahrzeuge nicht so leicht feststellbar (Bild links).
Am nördlichen Endpunkt des Bahnhofs befindet sich ein Gleisdreieck, seine Spitze zeigt genau auf eine Straßenbrücke über die Große Bosca. Diese wurde früher von den
Waldbahnzügen nach Siclau mitbenutzt, bevor später eine neue Streckenausfädelung etwa einen Kilometer weiter nördlich geschaffen wurde (rechts).
Nach Überquerung der Großen Bosca liegt die Hauptstraße nach Covasna in ihrer ganzen Schönheit vor uns. Wenn man die etwa 10 Kilometer dorthin
erfolgreich mit seinem Auto absolviert hat, sieht dieses bestimmt genauso aus wie der Straßenbelag. Dunkle, regenspeiende Wolken fliegen in geringer Höhe über uns hinweg
und geben der Szenerie etwas unheimliches. Ob die an einem Telegrafenmast befestigte Ceaucescu-Losung bei den hier Vorbeifahrenden diesen Eindruck mildern kann?
Allzu lange wird sie hier jedenfalls nicht mehr hängen.....
Nach ausgiebigem Pfützenspringen erreichen wir die Stelle, an der die neue Ausfädelung nach Siclau die Große Bosca überquert.
Auf der anderen Talseite rumpelt gerade ein Schienen-LKW vom Holum-Paß herab. Ein Blick in Richtung Comandau: Noch kündet keine Rauchwolke von der Abfahrt des Zuges,
so daß wir noch schnell den Fluß überqueren und ein Bild von der Abzweigweiche machen können. Eine Quelle kann hier zum Wassernehmen der Dampfloks genutzt werden.
War das nicht gerade ein Pfiff von Comandau her? Schnell zurück auf das andere Flußufer und einen Fotostandpunkt gesucht!
Es dauert allerdings noch eine Weile, bis die weiße Dampfwolke näher kommt und sich dann der Zug vor dem nebligen Grün des Berghanges abzeichnet.
Nach dem Passieren der Flußbrücke geht es jetzt ein wenig bergauf, so daß die Dampflok sich doch ganz schön anstrengen muß, obwohl ja nur sieben beladene Holzwagen am Zughaken hängen.
Eigentlich sollten es doch zehn sein? Nun, der Zug hält vor dem Bahnübergang, die Handbremsen der Trucks werden festgezogen und Lok samt Dienstwagen abgekuppelt.
Hurtig dampft die Maschine darauf über die Straße und
stößt in das parallel zur Straße von der alten Streckenführung verbliebene Stumpfgleis. Dieses wird offenbar zur Zwischenabstellung von beladenen
Wagen genutzt, welche in Siclau noch nicht benötigt werden. Immerhin sechs davon werden aufgenommen und schließlich an die Zugspitze rangiert. Also 13 Wagen sollen mit dem
Zug zur Station der Standseilbahn befördert werden, und das bei der Nässe und dem Regen? Ob das gutgeht?
Um es vorweg zu nehmen: Der Lokführer weiß schon, was er seiner Maschine zumuten kann. Alles geht gut. Wir sind ein wenig die Straße entlang
geeilt, ohne auf die vielen Pfützen zu achten (Naß sind wir sowieso schon!) und erwarten den Zug hier. Und dann kommt er, ganz langsam unter ständigem Schleudern und Sanden
nähert er sich, mit maximaler Füllung bullert die kleine Lok an uns beiden regennassen Gestalten vorbei, um nach einer Linkskurve im Dunst des dichten Waldes zu verschwinden,
bis auch das Rumpeln und Schlagen der Trucks über die Schienenstöße verklungen und nur noch die sich über den Baumwipfeln langsam auflösende Dampfwolke vom Zug übriggeblieben ist.
Vergessen sind der unentwegt rinnende Regen und die inzwischen überall hineindringende Nässe, das alles gerät erst langsam wieder in unser Bewußtsein.
Etwa zwei Stunden Zeit haben wir nun, bis der Zug aus Siclau zurückkehrt. Ein kleiner Pavillon lädt zum Unterstellen ein und zu einem Imbiß mit Vorräten aus den Rucksäcken.
Als wir nach etwa einer halben Stunde, frisch gestärkt, wieder in den Regen hinaustreten, beschließen wir, in Richtung Holum zu wandern. Also einen Umweg über die Eisenbahnbrücke oder gleich hier
über den Fluß? Wir entscheiden uns für letzteres, die Schuhe sind ja eh' schon naß.
Und nun begleiten Sie uns doch ein paar Kilometer durch das Tal der Großen Bosca entlang der Strecke zum Holum-Paß. Leider reicht die Zeit nicht ganz, bis dorthin zu gelangen, die Erkundung der
Strecke ins Tal der Kleinen Bosca müssen wir auf einen späteren Termin verschieben. Wir gelangen nur bis zu der Stelle, wo der Fluß wohl schon mehrere Male den Bahndamm hinweggespült hat.
Nun, wir sind rechtzeitig wieder an der von der Standseilbahn herankommenden Strecke. Das Stehen im Regen mutet endlos, bis nach einiger Zeit schließlich der Zug herannaht,
diesmal allerdings nur mit recht gemächlicher Kraftentfaltung. Es sind ja nur klappernde und klirrende Leertrucks am Zughaken der Dampflok. Ein Kreuz thront etwas rätselhaft rechts im Bild gut sichtbar
über der Waldwiese, immerhin ist es erhalten geblieben, obwohl die orthodoxe Kirche (und auch die ungarisch-evangelische) wohl im Ceaucescu-Staat nicht so gut gelitten sein dürften.
Eigentlich müßte der Zug ja nach links abbiegen und über die Straße weiter nach Comandau fahren. Tut er aber nicht: Man bleibt vor der Abzweigweiche stehen, die Lok kuppelt ab und dampft,
diesmal ohne den Dienstwagen, ein Stück in das Anschlußgleis bis vor ein dort befindliches größeres Gebäude, in welchem Zug- und Lokpersonal kurz darauf verschwinden. Pause, Warten im Regen, Stille, manchmal von durch
die Fenster dringenden erregten Stimmen unterbrochen. Aber dann kehren alle zurück, die Lok fährt an den Zug, die Weiche wird umgestellt, während die aus der Dampffeife dringenden Achtungspfiffe
die nach hinten geeilten Bremser zum Lösen der Handbremsen auffordern.
Aber gemach! Genug Zeit bleibt noch, um ein wenig in die Wiese hinein zu laufen! Nur langsam rollt die Dampflok an, mit Klirren und Scheppern setzten sich auch die Trucks nacheinander in
Bewegung und überqueren die Straße. Ein bißchen geht es bergab zum Fluß hinunter und in einer weiten Kurve auf die Brücke mit ihren hölzernen Pfeilern zu, über die der Zug bald rollt,
um wenig später hinter den Bäumen zu verschwinden.
Die Aussicht, in einer Stunde mit einem Bus den Ort, bestimmt unter den Augen der Staatsmacht, verlassen zu müssen, erzeugt inzwischen ein recht ungutes Gefühl. Zurück nach Comandau!
Wir passieren das Gleisdreieck und kommen danach zum Draisinenschuppen. Zu dem Schienen-LKW vom Morgen hat sich der vorhin aus den Wäldern zurückgekehrte gesellt. Und vorne links ist der mit dem Achsbruch
auszumachen, am Vortag vollständig fotografiert: . Hin und her wuseln die Bediensteten zwischen den Fahrzeugen
im Matsch, auch die Ausfahrt zum Hauptgleis sieht nicht wesentlich vertrauenderweckender aus. Die beiden Kühe dagegen fühlen sich wohl, als Paarhufer macht ihnen der Matsch nichts aus.
Da diese Draisinenanlage bestimmt noch nicht mit der Strecke selbst zusammen erbaut wurde, ist sie außerhalb des Bahnhofs an das Streckengleis angebunden.
Ein kleines Stück weiter befindet sich die Einfahrt zum Lokschuppen. Die "Beholzungsanlage" verfügt über unglaubliche Vorräte an Brennstoff. Das Gleis links geht
zum dampfmaschinenbetriebenen Sägewerk, vor dem das recht neue Feuerwehrauto parkt, wohl das modernste Gerät auf diesem gesamten Gelände.
Aber noch andere Tiere können dem Wetter durchaus etwas abgewinnen: Neben uns hat sich eine schnatternde Gänseherde niedergelassen. Der Junge erzählt uns irgendetwas, was wir nicht verstehen,
oder will er uns nur vor den Tieren warnen? Immerhin haben die ihre Jungen dabei.....
Gleich daneben: Die Brotbäckerei! Unter hygienischen Gesichtspunkten wohl nicht sonderlich vertrauenderweckend, aber das dort am Vortag erworbene dunkle! Brot hat wunderbar geschmeckt!
Wenig später nähern wir uns dem eigentlichen Bahnhof. Zuerst ein Blick zurück: Links das Gleis zum Lokschuppen, rechts das Streckengleis nach Siclau und zum Holum-Paß.
In Südrichtung entfaltet sich der Bahnhof mit seinen vier Gleisen, für eine Waldbahn durchaus außergewöhnlich. Das Lokschuppen- und Sägewerksgleis (jetzt rechterhand) ist allerdings nur recht spartanisch angebunden,
was immer wieder für interessante und umfangreiche Rangierbewegungen sorgen dürfte. Dafür ist das Empfangs- und Dienstgebäude der Waldbahn umso großzügiger gestaltet.
Immerhin befindet sich hier ja der Betriebsmittelpunkt der Waldbahn.
Viel Zeit ist nun nicht mehr, aber sie reicht noch, den Südkopf des Bahnhofs nochmals aufzusuchen und noch ein letztes Bild zu machen.
Dann kehren wir zum Bahnhofsgebäude zurück. Auch der Bus taucht auf, was für ein Gefährt! Ein rostiger Transporter mit geschlossener Ladefläche, auf welche man Holzbänke montiert hat.
Diese schlecht gefederten Gefährte Marke "Zuk" werden auch "Karpatenesel" genannt. Ein Vertreter der Staatsmacht ist nicht da, schnell steigen wir ein.
Kurz vor der Abfahrtszeit tauchen sie dann aber auf, die beiden Uniformierten. Erregter Wortwechsel mit den einheimischen Fahrgästen im Bus, wir verstehen nicht, worum
es geht, haben aber den Eindruck, daß wir hier vor dem Verlangen der Staatsmacht, noch einmal aus welchem Grund auch immer auszusteigen, beschützt werden.
Nach einer Weile geben die beiden schließlich auf und schließen die Tür von außen, woraufhin sich das Gefährt in Bewegung setzt.
Vergessen Sie alles, was Sie bis jetzt über schlecht gefederte Autofahrten entlang schlaglochdurchsetzter und kurvenreicher Straßen wissen! Mit einem Affenzahn
bollert das Gefährt die zehn Kilometer nach Covasna herunter, seine Insassen auf den Längsbänken immer wieder abwechselnd zu Hüpfleistung mit unsanftem Aufprall
auf das harte Holz oder zu ausgiebigem Kontakt mit dem Nebenmann (Keine jungen Damen im Bus!) verführend. Und kein Fenster im Wagenkasten! Alle Knochen tun uns weh,
als wir in Covasna auf dem Platz vor dem im Bau befindlichen Theater endlich wieder in die Freiheit entlassen werden. Weit ist es zum Glück nicht zum gegenüberliegenden Hotel,
wo wir uns erst einmal aufs Bett legen.....
Am Abend dann heißt es Abschied nehmen von unserem hier gewonnenen neuen Freund, er erwartet uns schon, auf dem Herd brutzelt etwas gut riechendes und die Gläser für den "Palinka" stehen
auch schon auf dem Tisch. Es wird ein langer Abend, irgendwann schaffen wir es dann zurück ins Hotel und fallen in einen tiefen Schlaf.
Am nächsten Tag, dem 16.06.1989, heißt es am frühen Nachmittag, die Rückfahrt anzutreten. Nur wenig Zeit ist noch, auf der Straße nach Sfintu Georghe ein Stückchen zum Bahnübergang
zu wandern, um den Waldbahnzug nochmals auf den Film zu bannen. Und er kommt wirklich:
!
Der Doppelstockzug bringt uns pünktlich nach Brasov, nach dem Anstehen für zwei Platzkarten ist sogar noch Zeit für einen Stadtrundgang und ein Abendessen.
Dann hat uns der Balt-Orient-Express wieder mit seinen muffigen Wagen. Etwas Angst haben wir noch vor der Grenzkontrolle, vielleicht haben die Genossen aus Comandau dort Bescheid gegeben, uns besonders zu
kontrollieren, uns gar die Filme wegzunehmen?! Aber nichts passiert, nur nach Waffen fragen die. Ja, meinen die wirlich, man kann sich in Rumänien so einfach Waffen besorgen? Mit gutem Gewissen können wir das verneinen
und verlassen schließlich am 18.06, ganz früh am Morgen, den Zug in Berlin-Lichtenberg.
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