Mit der Wolga-Draisine von Comandau auf Inspektionsfahrt
Am Vortag sind wir nach langer Bahnfahrt in Covasna angekommen. Von der sich anschließenden Palinka-reichen Begrüßung ist am Morgen des 13.05.1991 ein recht schwerer Kopf übriggeblieben,
der dann auf der kurvenreichen und schlaglochübersäten Anfahrt in das Karpatendörfchen Comandau wirkliche Pein bereitet. Und dann das: Leer ist der Bahnhof der Waldbahn, kein Zugbetrieb ist
an diesem Montag vorgesehen! Was nun? Zurückfahren? Eine Wanderung entlang der Strecke? Letztere Verlockung ist für unseren rumänischen Freund wohl der Horror, so daß er uns in das Stationsgebäude
bugsiert. Verhandlung mit dem Waldbahnchef:"Für einen kleinen Obolus würde er die monatliche Inspektionsfahrt über das Waldbahnnetz auf den heutigen Tag vorziehen....." Das wäre doch was für uns!
Freudig sagen wir zu!
Und dann gehen die Dinge ihren typisch für eine Waldbahn recht gemächlichen Gang. Zeit zum Betrachten der technischen Daten der Standseilbahn, deren Bereisung zu einem späteren Tag erfolgen wird.
Und irgendwann fährt dann auch das Inspektionsfahrzeug, der schon etwas zerbeulte Schienen-PKW vom Typ Wolga vor. Einsteigen! Wie es sich für ein russisches Auto gehört, ist der Innenraum recht geräumig
und man sinkt förmlich in die (allerdings schon arg strapazierten) Ledersitze.
Und dann verläßt das Gefährt brummend und scheppernd auch schon Bahnhof und Dorf, passiert die Abzweigung nach Siklo und rollt entlang der Großen Boska nach Nordosten.
Der Holumpaß ist unser erstes Ziel. Kurzer Halt nach 5 Kilometern an der Abzweigung zu einer Ladestelle, zu welcher das Verbindungsgleis auf einer Holzbrücke über den Fluß geführt wird.
Wenig später biegt die Strecke in ein Seitental ein, steil geht es jetzt bergan. Am Kilometer 7 zweigt das nächste Ladegleis ab, welches durch ein idyllisches "Baumtor" hindurch
zu einer offenbar ordentlich genutzten Ladestelle führt. Eine Waldlichtung tut sich da auf, an ihrem oberen Rand sogar mit einer Hütte für die Forstarbeiter versehen.
Nur ein paar hundert Meter weiter, kurz vor der Serpentine zum Holumpass, dann eine weitere Ladestelle, deren Gleis sich allerdings nicht mehr in einem vertrauenerweckenden
Zustand befindet. Ziemlich matschig sieht es hier auch aus, es muß hier in den letzten Tagen starke Regenfälle gegeben haben. Je näher wir den 1000 Metern Seehöhe kommen, desto weniger weit hat
sich die Natur entwickelt: Bei einem Vergleich der Bilder mit denen von unserem Besuch vom Juni des nächsten Jahres werden die Unterschiede ganz deutlich.....
Aber nun hinauf zum Holum-Paß! Schurrend bewegt sich der Wolga durch die Haarnadelkurve, schwer arbeitend geht es die letzten Meter hinauf, bis die Maschine dann, oben
angekommen, mit einem Seufzer erstirbt. Alles aussteigen und die Aussicht aus 1500 Metern Höhe genießen!
Langsam rollt das Gefährt wenig später wieder an, ganz ohne das Brummen des Motors scheppern die Metallräder über jeden Schienenstoß gleich doppelt so laut, auch über die
Weiche zu einerr weiteren Ladestelle hier ganz oben. Die dort neben dem Gleis lagernden Hölzer scheinen allerdings schon geraume Zeit hier vergessen worden zu sein.
Wunderbar verwunschene Landschaften halten die Karpaten für den Betrachter immer wieder bereit, wenn er geneigt ist, diese Bilder und Eindrücke aufzunehmen und
in seinem Inneren aufzubewahren! So laufen wir lieber die abschüssige Strecke nach Benedek hinunter und lassen das scheppernde Gefährt vorausfahren. Stille herrscht nun, bis auf ein paar
zwitschernde Vögel ist alles ruhig, kein Autolärm, welchem man in Deutschland ja kaum noch entfliehen kann.
Das Tal der kleinen Boska ist erreicht. Bevor der Wolga in das Gleisdreieck Benedek einfährt, poltert er auf einer abenteuerlichen Brücke mit den ersten Überbauten aus Holzbalken
und den beiden weiteren aus Stahlträgern über den Fluß. So harmlos das hier aussieht, so reißend kann die Kleine Bosca zu Hochwasserzeiten werden und hat irgendwann den ersten Stahlüberbau mitgerissen.
Wie schon gesagt, gibt es hier ein Gleisdreieck, über dessen westliche Ecke wir soeben eingefahren und vor dem Stationsgebäude zum Halten gekommen sind. Warum baut man aber hier eine betrieblich
aufwendige Paßüberquerung und schafft das Holz nicht einfach durch das Tal der kleinen Boska aus dem Gebirge? Das hat, wie auch die gesamte Bahnanlage mit der politischen Situation um 1900 zu tun:
Während die Oberläufe von Großer und Kleiner Boska damals zu Österreich-Ungarn gehörten, begann flußabwärts das Königreich Rumänien, und die politischen Beziehungen waren nicht die besten. So wurde
das Holz aufwendig über den Holumpaß und über die Standseilbahn bei Siclau nach Covasna transportiert.
Aber warum hat man dann nach dem ersten Weltkrieg, als das ganze Gebiet zu Rumänien gehörte, eine Strecke entlang der Kleinen Boska nach Nehoi gebaut? Hat man ja, und man hat
zu diesem Zeitpunkt auch das Gleisdreieck erbaut, um an seinem Südzipfel diese Strecke angebunden. Siebzig Kilometer lang, für eine Waldbahn eine ordentliche Entfernung, gerade so an einem Tag für
Hin- und Rückfahrt zu schaffen, ohne noch aufwendig zu rangieren. Und so hat man dann die Verbindung über den Holumpaß nicht abgebaut, wahrscheinlich, um den oberen Streckenteil weiterhin von Comandau
aus bedienen zu können. Nun, die Strecke nach Nehoi ist ab 1971 nach einem verheerenden Hochwasser inzwischen wieder Geschichte, nur ein wenige hundert Meter langer Gleisstummel,
auf dem unbenutzte Trucks abgestellt sind, erinnert noch an sie. Er endet in der Nähe eines Steins mit einem roten Punkt. Hier soll die ungarisch-rumänische Grenze einmal verlaufen sein. Der Blick
zum Stationsgebäude erinnert uns nun daran, daß der Wolga bestimmt schon auf uns wartet.
Also auf zum Nordkopf! Vorbei an dem auf Weiterfahrt nach Comandau wartenden Schienen-LKW passieren wir die Einfahrweiche, woraufhin auch schon unser Transportmittel heranrollt.
Aber gemach! So schnell fährt man hier nicht ab, irgendetwas Diskussionswürdiges verhindert noch eine ganze Weile unsere Weiterfahrt.
Kilometer 12,9 ist erreicht. Hier zweigt ein etwa zwei Kilometer langes Streckenstück durch das Seitental Dealu Negru ab, welches unterhalb des 1670 hohen Guirgiu-Berges endet.
Eigentlich findet derzeit dorthin keine Zugbetrieb statt. Aber auf einer Inspektionsfahrt sollte man schon einmal dorthin fahren, oder etwa nicht? Ob man da durchkommt? Zweifelnd wiegt der Bahnchef
sein Haupt, aber dann siegt wohl auch seine Neugier ein bissel. Also die Weiche umgestellt und einen Befahrbarkeitsversuch gestartet!
Vorsichtig tastet sich unser Wolga das ziemlich steile Gleis herauf. Wird es klappen, die Ladestelle Giurgiu zu erreichen? Ja, Sie haben es ja schon gesehen: Alles geht gut!
Traumhafte Landschaft in dieser abgeschiedenen Ecke der Karpaten, auch hier ein Holzplatz mit Benutzungsspuren durch die allgegenwärtigen Zugmaschinen, aber immerhin sind die Schienen unbeschädigt,
so daß wir bis zur derzeit allerdings ungenutzten Laderampe in der Nähe des Gleisendes fahren können. Zurück zur Stammstrecke geht es dann wieder ohne Antrieb zu Tal.
Calabuci ist erreicht, noch so ein einsamer Weiler: Ein Ladegleis mit Holzrampe, ein einsames, offenbar leeres Haus mitten im Wald. Schnell noch für ein weiteres Bild auf die Rampe
gestiegen, dann fahren wir auch schon weiter. Die Brücke wenig später sieht auch recht abenteuerlich aus, wie es da unter der Auflage aussieht, möchte ich lieber gar nicht wissen. Aber alles geht gut,
so daß wir wenig später über eine leider noch wenig frühlingshafte Waldwiese rumpeln.
Das nächste Ladegleis zweigt knapp zwei Kilometer weiter oben ab und animiert uns zu einem weiteren Fotohalt. Die Laubbäume haben zwar schon recht dicke Knospen, aber die
Blätter sind noch nicht aufgegangen. Und noch ein weiteres Bild von diesem reizvollen Streckenabschnitt möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Kilometer 18 ist erreicht: Manicica heißt die Örtlichkeit. Diese hat ein wichtiges Betriebsmittel, um überhaupt auf einer solchen Strecke mit sich abwechselnder Steigung
und abwechselndem Gefälle mit Draisinen fahren zu können, eine Drehscheibe. Rückwärts können die ja nicht fahren. Und so fährt man vorsichtig auf das wacklige Konstrukt, um den Wolga darauf mit Hand zu
drehen. Vorher gibt es jedoch noch einen Fototermin mit dem Waldbahnchef und seinem Fahrer.
Weiterfahren können wir leider nicht, da zwei beladene Holzwagen hier auf den Abtransport nach Comandau warten. Und die den Berg hochzuschieben, dazu ist unser Wolga
keinesfalls in der Lage! So schaue ich mich hier noch ein wenig um: Mein Mitfahrer in Pose, als ob er die Wagen vor dem Abrollen aufhält, darunter ein Panorama von der gesamten Örtlichkeit mit ihrer
diesmal aber bewohnten Hütte. Auch das wunderbare Tal lädt immer wieder zu Aufnahmen ein. Dann ist der Wolga inzwischen gedreht worden und man hält noch ein kleines Schwätzchen, bevor sich die
Fuhre auf den Rückweg macht,
Gemächlich rollen wir talabwärts, garniert von einem Schlückchen Palinka, vorbei an Calabuci und dem Abzweig ins Schwarzwassertal. Ein bissel werden wir auch müde.....
Da bremst der Fahrer und weist auf die Felswand neben der Draisine hin. Ob wir nicht? Ja, natürlich, machen wir doch noch zwei Foios! Wieder einsteigen, wieder fallen die Augen zu...
Wenig später startet brummend der Motor und bringt das Gefährt zum Erzittern, als es den Berg zum Holumpaß hinaufgeht.
Auf der Paßhöhe hält der Fahrer an. Stimmt, wir wollten doch noch ein paar Aufnahmen machen! Augen reiben, Kamera auspacken, während das Gefährt scheppernd hinabrollt und unten
stehenbleibt. Ich hätte nicht geglaubt, daß mir da alle fünf Bilder gut gefallen, aber genau das ist passiert: Sowohl aus der Ferne mit einem unbekannten Berggipfel im Hintergrund, mit Teleobjektiv
und mehr oder weniger Vordergrund sowie nochmals mit dem Berggipfel.Ja und dann gelingt auch noch ein Bild mit dem oberen Gleis im Vordergrund! Mehr Möglichkeiten gibt's ohne Zoomobjektiv nun aber
wirklich nicht!
Comandau ist erreicht. Wir hatten ja ausgemacht, auch noch bis zum derzeitigen Ende des südlichen Streckenastes zu fahren. Dazu müssen wir von Comandau rückwärts rollen,
denn bergauf schieben sollte man ja dann doch nicht. Während die beiden Waldbahner den Wolga drehen, gelingt noch ein (aus zweien zusammengesetztes) Panoramafoto von Bahnhof und Sägewerk mit der weiter
hinten an den von ihr ausgestoßénen weißen Wolken auszumachenden Dampfsäge. Aber auch in der Gegenrichtung ist keine Bewegeung auszumachen.
Nach 3,8 Kilometern ist das Streckenende erreicht. Ziemlich genau, wo wir noch zwei Jahre zuvor fotografiert haben, endet das Gleis nun im Nichts. Kein Wunder, daß in dem breiten Tal mit dem vorhandenen Fahrweg der LKW dem Zug den Rang abgelaufen hat, zumal die Dampfloks sich hier
auf der Lastfahrt bergauf mühen mußten.
Bevor uns das Streckenende zu sehr deprimiert, da dirigieren wir die Draisine doch zu einer ewas schöneren Stelle ein paar hundert Meter zurück. Hier wird die Konkurrenz in Form
eines schlammigen Fahrweges sowie die Große Boska von der Strecke gekreuzt. Wahrscheinlich entstehen jetzt die letzen Bilder an dieser Stelle vor ihrem Abbau, zusammen mit den grünen Wolga.
Erstaunlich, daß man das Gefährt mit grüner Farbe versehen hat, zeichnet es sich doch dadurch nur sehr wenig von der Umgebung ab. Heutzutage hätte man solch ein Gefährt knallrot angestrichen.....
Nun aber zurück! Das Waldbahnpersonal will endlich in den Feierabend! Am Bahnhofskopf steigen wir aus, machen ein letztes?, nein, was schaut denn da um die Ecke, sogar zwei
letzte? Bilder von dem Wolga. Schwein gehabt trotz fehlendem Dampfbetrieb an diesem Tag, oder? Aber sollte so eine Streckeninspektion nicht das ganze Netz umfassen? Darauf noch ein Gläschen Palinka und es
geht weiter nach Siclau zur Bergstation der Standseilbahn.
Irgendwie ist dem Fahrer anzumerken, daß er langsam ungeduldig wird. So geht es scheppernd und krachend mit für die ausgeleierten Gleise geradezu atemberaubender
Geschwindigkeit zuerst entlang der Straße und später in engen Kurven durch den dichten Fichtenwald zum Fahrtziel. Aussteigen, das grüne Etwas zur Drehscheibe zurückschieben, Drehen, wieder ins
"Haupt-"Gleis zurückrollen, eine kurze Verabschiedung, und schon rollt man brummend von dannen.
Und wir? Recht schweren Schrittes machen wir uns auf den Heimweg nach Covasna. Aber keine Angst, für einige Bilder reicht die Kraft schon noch! Zuerst von der Gleisanlage
am der Standseilbahn zugewandten Seite, das Planum von den Hufen der Schleppferde zerwühlt! Still liegt die Anlage in der Abendsonne, auch in der anderen Richtung das Dienstgebäude mit seiner reizvollen
Überdachung und den Räumen der Seilablaufanlage. Auf der Bühne wartet schon ein mit Holzstämmen beladener Truck auf seine Beförderung zu Tal am nächsten Tag. Stellt man sich daneben, so kann man
die gewaltige Neigung der Standseilbahn nachempfinden. Wenn man bedenkt, daß sich die Kante der Bühne mit ihrem zerbeulten Geländer in der Waagerechten befindet! Immerhin 350 Meter Höhenunterschied
sind zu überwinden.... Und diese Aufgabe liegt nun auch vor uns, fußläufig, ohne Beförderung durch die Bahn!"
Zu jeder mit Schwerkraft betriebenen Standseilbahn gehört eine Ausweiche in der Mitte der Strecke, welche wir nun erreicht haben. Das Gleis von Oben besteht aus drei Schienen, bei denen
die mittlere von beiden Bühnen genutzt wird. Die Gleise gehen dann auseinander, um unterhalb der Ausweiche mittels einer Weiche zusammengeführt zu werden. Mehr Erläuterungen dazu können Sie
Da nähert sich unser Abstieg schon seinem Ende. Der zuletzt zu Tal beförderte Wagen hartt hier noch seiner pferdlichen Abbeförderung in das Zugbildungsgleis. Aber warum soll man Arbeiten
erledigen, bei denen man das auch noch am nächsten Tag tun kann? Zumal erschwerte Bedingungen herrschen, denn einer der leeren Trucks ist beim Ziehen auf die Bühne sozusagen verunglückt. mal sehen, wie das
am nächsten Tag aussieht....
Ein ereignisreicher Tag geht zu Ende, aber schon am nächsten Morgen geht es weiter: !.
Sie können aber auch einmal in das nächste Jahr schauen, wo wir diese wunderschöne Strecke mit einem Produktionszug befahren haben, Möchten Sie die Bilder noch einmal als Slideshow vorbeiziehen lassen (FlashPlayer erforderlich): Hier klicken! 80 Bilder habe ich insgesamt in das Bildarchiv hochgeladen, welche zum privaten Gebrauch
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