Von Mitte Oktober bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2008 war der Eisenbahngrenzübergang Frankfurt/Oder geschlossen. Die Brücke über die Oder wurde erneuert, so dass der gesamte Fernreiseverkehr
umgeleitet werden musste und in diesem Zeitraum über die alte Ostbahn von Berlin nach Kostrzyn (Küstrin) und zurück lief. Aufgrund meiner zeitweisen Tätigkeit in Berlin Gelegenheit, dieser wunderschönen
Strecke mit ihren Telegrafenmasten, Formsignalen und alten Gebäuden einige Besuche abzustatten. Stellvertretend für diese insgesamt 5 mehr oder weniger langen Besuche habe ich den längsten vom 02.11.2008
ausgewählt, einen Reisebericht zu verfassen. Und der November ist nun einmal der Monat des Erlkönigs.....
Gegen 08:30 Uhr trete ich vor die Tür meiner Übernachtung, die aufgehende Sonne empfängt mich mit ihrem Schein, blauer Himmel wölbt sich über dem weiten Berliner Horizont. Na, dann los in die S-Bahn
und zum Bahnhof Berlin-Lichtenberg gefahren! Und dann, beim Umsteigen in Ostkreuz: Erste Nebelschwaden trägt der Ostwind heran, und noch ehe der S-Bahnzug den Bahnhof verläßt, ist die Sonne verschwunden.
"Aber der Tag ist ja noch lang!", rede ich mir ein und fahre hoffnungsfroh in Richtung Osten.
Viel Zeit bleibt nicht, VT 736 der Niederbarnimer Eisenbahn wartet schon am Bahnsteig C. Schnell noch ein Bild von der gerade eingefahrenen CNL1200 aus München mit 101 056 gefertigt!
Die E-Lok spannt hier ab und eine 232'er übernimmt den Leerpark zur Warschauer Straße, ein Verfahren, dessen Sinn und Effektivität ich nie richtig begriffen habe. Da wird extra ein 4 km langes Streckengleis
mit Spitzkehre in Wrg unterhalten, nur um täglich zwei Leerzugpaare zum Restaurieren zu befördern....
Eine knappe Dreiviertelstunde später stehe ich auf dem Behelfsbahnsteig des Bahnhofs Müncheberg und schaue dem Triebwagen nach, welcher nach Durchqueren der Signalbrücke im Nebel
verschwindet. Müncheberg (Mark), erster bedeutenderer Bahnhof an der ehemaligen Ostbahn, als dieser noch Dahmsdorf-Müncheberg hieß, zweigte hier die Nebenstrecke der Oderbruchbahn über Müncheberg Stadt
nach Hasenfelde ab! Hasenfelde, lassen Sie sich diesen Namen einmal auf der Zuge zergehen....! Und nördlich davon zweigt noch heute die Kleinbahn nach Buckow (Märk Schweiz) ab, diese ist ob des
Reisendenaufkommens sogar elektrifiziert worden und rollt noch heute, von der DB längst abgestoßen, unter der Ägidie eines rührigen Eisenbahnvereins an Wochenenden.
Müncheberg soll mir heute aber nur als Ausgangspunkt einer Wanderung entlang der hier die Märkische Schweiz durchquerenden Ostbahn dienen, wenn Sie Bilder von diesem Bahnhof anschauen möchten,
kann ich Ihnen einige vom 21.10.2008 anbieten:
So verlasse ich den Bahnhof in Richtung Osten ein Stück lang auf dem Planum der alten Kleinbahn nach Hasenfelde, welches sich nur zögernd von der Hauptstrecke entfernt.
Ziemlich bewachsen ist der Bahndamm, nur langsam komme ich voran, mich immer einmal wieder in Richtung des langsam im Nebel entschwindenden Stellwerks B 2 umschauend. Und in Höhe des nächsten Bahnübergangs
hilft er mir dann nicht mehr weiter (unten). Also dann, entlang der Strecke weiter!
Da kehrt auch schon VT 736 zurück, der Triebwagen hat schon in Seelow-Gusow gewendet und rollt nun als NE 99700 nach Berlin-Lichtenberg zurück. Eine Maßnahme, welche
der Streckenentlastung dienen soll. Eine halbe Stunde später habe ich mich durch das Gelände und entlang einer zeitweise neben der Bahnlinie verlaufende Straße bis zum Einfahrvorsignal Vh von Müncheberg
vorwärtsgekämpft. Da rollt auch schon VT 737 als NE 5369 in Richtung Kostrzyn an mir vorbei, das einzelne Blatt wurde dann doch durch den Fahrtwind abgerissen....(unten links)
Einen Kilometer weiter durchbricht die Strecke einen Moränenwall. Dieser Durchbruch ist unter Eisenbahnfreunden wohl bekannt, garantiert er doch schöne Panoramabilder. Aber jetzt
bei Nebel? Eine halbe Stunde stehe ich, frierend und mit nassen Füßen im Ostwind, und warte aus den Triebwagen in Richtung Berlin. Aber der kommt nicht, nur erneut VT 736 rauscht in Richtung Osten an mir
vorüber, nunmehr als NE 99703 (links und unten links).
Nun heißt es, noch eine halbe Stunde auf den Gegenzug zu warten, welcher aber wieder nicht kommt. Was ist da los? Keine Züge aus Richtung Kostrzyn? Als nach einer Stunde der nächste
Triebwagen in Richtung Osten fällig wird, erwarte ich ihn nicht mehr vom Hang her, sondern auf der anderen Seite der Strecke. Und pünktlich rollt NE 5373 an mir vorüber (links). Im Hintergrund ist im Nebel
der "Foto-Hang" zu erkennen, zu dem ich später noch einmal zurückkehren will.... Aber wird denn nun EC 445 folgen?
Eine kurze Zeit bangen Wartens liegt vor mir, dann taucht EC 445 Berlin-Warszawa, der mittägliche "Berlin-Warszawa-Expreß", recht lautlos aus dem Nebel auf. 232 373 rollt im Leerlauf
mit ihren sechs Wagen an mir vorbei, um genauso lautlos wieder in der weißen Suppe zu verschwinden. So hatte ich mir den Ausflug zwar nicht vorgestellt, aber je mehr ich mir diese Bilder betrachte,
umso mehr kann ich mich mit ihnen anfreunden. Was meinen Sie? Auf jeden Fall müßte ja nun endlich einmal der nächste planmäßige VT aus Kostrzyn verkehren, denke ich und postiere mich wieder an
anderer Stelle. Und richtig, nach kurzer Zeit rollt NE 99750 an mir vorüber (rechts).
Ein wenig Zeit bleibt mir nun, die wunderschöne Strecke zu genießen, welche an dieser Stelle die Moräne durchschneidet. Etwas entfernt, ist sogar der Brechpunkt zu erkenne,
ab da geht es wieder, vom Bahnhof Müncheberg unterbrochen, leicht bergab in das Rote Luch mit seinem unvergessenen Kreuzungsbahnhof, aus welchem die Züge in beiden Richtungen bergauf anfahren mussten....
Da erreicht eine weitere Nebelwand die Märkische Schweiz (rechts) und aus Richtung Osten sind in der Ferne Töne einer 232'er zu vernehmen.....
Sollte das schon EC 446 von Warszawa sein? Schnell ein Stück den Hang erklommen, zu weit hoch hat ja bei dem Nebel sowieso keinen Sinn, und da taucht der EC auch schon, etwa 15 Minuten
zu früh und mit zwei Ludmillas bespannt, aus dem Dunst auf. Mit stark gedrosselten Motoren verschwinden beide Loks bald darauf wieder im Nebel, und ebenso schnell verstummen die Geräusche der sechs Wagen.
Stille breitet sich wieder aus, nur ein Hund bellt in Obersdorf. Dorthin will ich nun weiterwandern. Aber vorher beantwortet sich noch meine Frage nach dem Verbleib der überzähligen Triebwagen der NEB im Osten:
Ein leerer Doppelzug, Lt 95711 nach Basdorf, rollt im Blockabstand zum EC nach Westen. Da wird wohl einer der Triebwagen "ausgehaucht" haben (rechts unten).
Weit ist es nicht mehr bis zum Hp Obersdorf, und nachdem ich mich an einem matschigen Feldrain entlang zu einem ebenso matschigen Feldweg hingekämpft habe, bin ich in etwa
20 Minuten dort, gerade noch rechtzeitig, um wiederum VT 737 bei Einfahrt und Aufenthalt als NE 99789 abzulichten. Das breite Plateau und die wegversetzte Telegrafenleitung lassen vermuten,
daß hier früher zumindest einmal eine Ladestraße existiert haben müsste.... Was nun? Die vom Oderbruch heranziehenden Nebelschwaden werden dichter, Hoffnung auf Sonne am Nachmittag habe ich keine
mehr.
Ich beschließe, mit NE 99796 nach Rehfelde zu fahren, etwas weg vom Oderbruch. Vielleicht wird dort der Nebel etwas schwächer?! Vorher besteht aber noch etwas Zeit für einen kurzen
Bahnhofsrundgang. Die Anlagen der noch bis ins neue Jahrtausend vorhandenen Blockstelle sind längst verschwunden und der Hp wurde modernisiert. Schließlich rollt mein Triebwagen, wegen des vormittäglichen
Tw-Schadens in Seelow-Gusow sogar ein von der "Heidekrautbahn" ausgeliehener, an dem abenteuerlich gebogenen Freileitungsmast vorbei an den Bahnsteig.
Nur etwa 20 aufwärmende Minuten dauert die Fahrt zurück über Müncheberg nach Rehfelde, einem typischen Ostbahn-Bahnhof, zwar etwas näher an Berlin aber trotzdem genauso im Nebel liegend.
Eine Zugkreuzung gibt es zu diesem Takt hier nicht, also laufe ich zuerst zum gerade passierten Einfahrsignal, an den beiden Ausfahrsignalen E und F vorbei (links). Den Weg habe ich mir allerdings etwas
einfacher vorgestellt! Nasse Wiesen und Gestrüpp sind zu überwinden, bis ich dann endlich dort stehe, im Hintergrund das Gelände des ehemaligen Kreisbetrieb für Landtechnik, heute ein Abstellplatz für
alte DDR-LKW's. Wenn Sie sich für rostige Robur- oder W50-LKWs interessieren, dann nichts wie hin!
Mich allerdings interessiert mehr die schöne Formsignal-Kombination, wie sie für über 50 Jahre typisch für die deutschen Eisenbahnen und auch für Mitteleuropa war. Glücklicherweise gibt es
durchaus noch solche Signale, wie aus dem Lehrbuch aufgestellt, wenn auch ihre Anzahl im Schwinden ist. Besser sichtbar und formschöner als die heutigen KS-Signale, wenn auch vom Ursprung her nur
mit Kraftanstrengung zu bedienen....
Viel Zeit bleibt nun nicht mehr bis zur nächsten Zugkreuzung, so stolpere ich den Weg zurück zur Schranke, um die kreuzenden Triebwagen dort aufzunehmen. Wer weiß, ob nicht angesichts
der zunehmenden Dämmerung die letzten verwertbaren Bilder entstehen! Der Triebwagen aus Kostrzyn hat Verspätung, so muss abweichend das Personal von NE 99791 selbst für die Reisendensicherung sorgen - sprich:
das Türchen öffnen und vor Einfahrt von NE 99798 wieder verschließen! Mit geringer Verspätung brummt schließlich VT 736 an mir vorüber und verschwindet im Nebel des Roten Luches.
Leider hat sich bis jetzt auf der Strecke kein Güterzug blicken lassen! Meine letzten Hoffnungen, einmal noch etwas anderes als die NEB-Triebwagen aufzunehmen, ruhen jetzt auf
dem "Moskwa-Expreß" und dem "Berlin-Warszawa-Expreß". Ersterer müßte nun bald kommen, und richtig: Nach kurzer Zeit herrscht wieder Betriebsamkeit auf dem Stellwerk W 2, der Wärter kurbelt die
Schranke hinunter und zieht das Signal E.
Noch eine kurze Wartezeit, und er rollt durch den Bahnhof: D 245 nach Moskau mit Kurswagen nach Minsk und St. Petersburg, geführt von 232 691, eine bunte Wagenschlange, sich vom
DB-rot-weißen Einheitsbrei wohltuend unterscheidend. Wie in den dreißiger Jahren, als man noch nach Moskau über Königsberg-Eydtkau und Wilna reiste.... Schnell ist der recht lange Zug im Novembernebel
verschwunden. Und in einer halben Stunde wird EC 447 nach Warszawa folgen. Über die stillgelegte Ladestraße gelange ich zur anderen Bahnhofseinfahrt, Stellwerk B 1 stellt dort Weichen und Signale.
Vorerst aber für einen NEB-Triebwagen, welcher als NE 99793 in den Bahnhof rollt. Der Nebel ist inzwischen so dicht, daß nicht einmal mehr die Bahnsteige von meinem Beobachtungspunkt sichtbar sind!
Schnell verklingen die Fahrgeräusche des TW, er scheint gleich vom Ende der Welt verschluckt zu werden. Hoffentlich kommt EC 447 nun endlich.......!
Und, im ersterbenden Licht des Novembertages taucht er aus dem Nebel auf, geführt von 234 551. Fast lautlos wegen der La in der Bahnhofsausfahrt.
Eine Dreiviertelstunde Zeit habe ich nun, mein Magen meldet sich ob der für ihn nun verbesserten Chancen auf eine Füllung mit Macht. Da hatte ich doch an der Schranke vorhin ein
Gasthaus gesehen?! Und wirklich: Schnell hinein in den Gasthof "Zur alten Linde" und eine wunderbar heiße doppelte Soljanka mit einem kühlen Pils heruntergespült. Die Zeit reicht auch noch für ein
zweites Pils, bis ich dann wieder vor der Schranke stehe. Blaue Stunde in Rehfelde, die Dunkelheit legt ihren samtenen Mantel über den Nebeltag und über Stellwerk W 2. Sämtliches Leben scheint erstorben,
die Schritte der wenigen herbeikommenden Reisenden schluckt der Nebel. Kurz bevor mein Triebwagen mich wieder nach Berlin zurückbringt, noch ein letztes Foto von den beiden Ausfahrsignalen E und F
(rechts unten).
Aber was ist das? Der Triebwagen ist völlig überfüllt! Gerade kann ich mich noch hineinquetschen, aber für die beiden Fahrradfahrer sieht es mau aus, wütend bleiben sie zurück.
Auch in Strausberg warten viele Reisende, da in Wuhletal Schienenersatzverkehr bis Lichtenberg avisiert ist. Nur wenige können sich diesen ersparen, da sich die Aussteigebereitschaft dadurch
verständlicherweise arg in Grenzen hält. Also: Sardinenbüchse bis Berlin-Lichtenberg!
Was meinen Sie zu diesem Reisebericht? Ich denke, daß es von dieser Strecke genug sonnenbeschienene Bilder gibt, welche für den November allerdings nicht typisch sind. Und Erlkönigs Töchter üben immer wieder
eine gewisse Faszination auf mich aus.... Insgesamt habe ich von diesem Tag 50 Bilder in das Bildarchiv eingestellt, die zum privaten Gebrauch
heruntergeladen werden dürfen.
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