Winterwanderung am Saaleck

Anfang Februar schlug der Winter 2011/12 so richtig zu, nachdem es schon so schien, daß der Herbst nahtlos in den Frühling übergehen würde. In Mainz allerdings völlig ohne Schnee. Nur in Richtung Thüringen/ Sachsen war zumindest etwas weiße "Dekoration" vorhanden. Und - sind Sie auch schon einmal mit dem Zug an den Burgen im Saaletal bei Bad Kösen vorbeigefahren, haben aus dem klimatisierten Abteil ein wenig sehnsüchtig auf das in Gleisnähe befindliche große Hinweisschild zum Himmelreich geschaut? Für den 02.02.2012 war Sonnenschein angekündigt, so daß ich da einfach einmal hinfuhr, nicht ahnend, was mich da an Kälte erwartete....

Das Thermometer zeigt minus zehn Grad, als ich mich, dick eingemummelt, kurz vor fünf Uhr auf dem Weg zum Bahnhof mache. Die S 8 nach Frankfurt (Main) ist pünktlich und speit mich dort in den noch recht warmen Tiefbahnhof aus, weiter oben in der Bahnsteighalle herrscht jedoch schon Frost. Ein dick eingemummter Verkäufer verkauft mir einen Kaffee und ein Brötchen und ich verdrücke mich, beides mit Handschuhen haltend, in den glücklicherweise schon bereitgestellten IC 2153 nach Leipzig. So geht es gen Osten, bis Weimar, wo mich die Kälte beim Hinaustreten aus der Wagentür wie ein Schlag trifft, willkommen in Thüringen, bei etwa 15 Grad Minus und eisigem Ostwind. Eigentlich lächele ich ja immer über die im Wetterbericht bedeutungsschwer verkündete "Gefühlte Temperatur"! Aber wenn es eine solche denn wirklich gibt, so liegt sie hier durchaus bei -30 Grad!

Die mit IC 2153 ausfahrende 101 095 erzeugt einen eiskalten Hauch auf dem Bahnsteig, die ausgepackten Finger gehorchen schon nach kurzer Zeit nur noch widerwillig den vom Gehirn gesendeten Befehlen, auch die Kamera hat sich zum eher gemächlichen Vorgehen entschlossen. Zum Glück wartet 641 034 auf Gleis 1 geduldig auf seine Abfahrt als RB 16007 nach Kranichfeld, welche erst um 09:10 Uhr ansteht. Schnell die Finger wieder eingepackt, bis 09:20 Uhr muß ich es hier auf dem Bahnsteig naoch aushalten!
Erstaunlich an diesem Tag: Die meisten Züge sind pünktlich oder nur "wenige Minuten" verspätet. So auch RE 3655 nach Glauchau, welcher hier auf Hl 3b abfährt, beim hinteren Triebwagen handelt es sich um 612 176. An die Hl-Signale wird sich wohl in einigen Jahren niemand mehr erinnern: Dieses hier bedeutet:"Fahrt mit 60 km/h - auch das nächste (Ausfahr-)Signal zeigt freie Fahrt!" Im Hintergrund naht gleichzeitig IC 2252, geschoben von 101 041, hält er hier nur kurz. Im Abstand folgt nun ein Güterzug, 155 195 bullert mit EZ 51404 auf der Fahrt von Engelsdorf nach Mannheim durch den Bahnhof, den wenigen Schnee aufwirbelnd und den Bahnsteig in eisigen Wind hüllend. Endlos lang scheinen nun diepaar Minuten bis zum Herannahen von RB 16313 nach Halle, mit der ich weiterfahren will. Eigentlich wollte ich ja in Großheringen aussteigen, habe aber angesichts des eisigen Ostwindes beschlossen, bis Bad Kösen zu fahren, um diesen auf meiner Wanderung wenigstens nicht ins Gesicht geblasen zu bekommen.


Bad Kösen ist erreicht. Schnell ein Blick der enteilenden Siemens-Dispolok ES64 U2 013 hinterhergeworfen! DB Regio hat die vorhandenen 143' er auf dieser Linie ausgemustert und dafür diese Lokomotiven angemietet. Ob das billiger ist? Na egal, die Straße verläuft in Richtung Nordost ein Stück an der Strecke entlang und ein Güterzug rollt heran: 152 006 mit EZ 51713 nach Nürnberg, aufgenommen in etwas unvorteilhafter Korrelation zum Oberleitungsmast, aber dafür mit der Bad Kösener Lutherkirche im Hintergrund.
	Das Problem heute: Bleiben die Finger im Handschuh, läßt sich der Auslöser nicht richtig dosieren, ziehe ich die Handschuhe aus, fallen die Finger irgendwann ab. Eigentlich will ich zu der Stelle, an welcher die Strecke gleichzeitig über eine Brücke und einen Bahnübergang verläuft. Aber diese Stelle gibt es nicht mehr, eine neue Brücke wurde errichtet, in formschöner Betonarchitektur. Na, dann hinüber zum Fluß, da huscht auch schon 411 053 als ICE-T 1555 (Wiesbaden-Dresden) über die Saale und ein Blick in die andere Richtung fällt auf das in der Kälte dampfende Wasser am Wehr.
Dringend erforderlich ist nun wieder Bewegung zum Warmwerden: Kurz verweile ich nochmals auf dem Bahnhof, als 411 030 als ICE-T 1707 heranrauscht, nochmals zusammen mit der Lutherkirche. 5 Minuten später ist dann RB 16315 von Eisenach nach Halle, geschoben von 143 169. Da ist wohl einer der Taurusse schadhaft geworden? Nur Bewegung hilft gegen die langsam die Gliedmaßen hinaufziehende Kälte, schnell laufe ich zum Bahnübergang am südlichen Bahnhofskopf. Die Sonne durchdringt inzwischen den Hochnebel, allerdings wärmt sie kaum.
	Lange brauche ich hier nicht zu warten: Mißtrauisch von einigen Senioren im schnittigen Mercedes beäugt, habe ich Gelegenheit, 101 014 mit IC 2355 nach Binz (links) und die darauf folgende 152 123 mit EZ 51736 (Nürnberg-Engelsdorf) im Gegenlicht aufzunehmen, letzterer hat auch nur 31 Minuten Verspätung. Da es modern ist, zu jedem Fahrplanwechsel im Güterverkehr die Zugbezeichnungen zu ändern, hier die Erklärung: Es handelt sich um einen Einzelwagenzug (EZ), der mal als Dg und später als FE firmierte, wobei die Zugnummernreihe seit der Wiedervereinigung gleich geblieben ist.
		Aber nun zu der besagten Stelle mit dem Wegweiser zum Himmelreich! Nicht allzuweit entfernt, bietet diese einige interessante Motive:
Links oben ein Stilleben mit SBB-482 042 auf einer Fahrt in Raildox-Diensten: Eigentlich heißt der Zug DGS 93766 von Landstuhl nach Niedergörne und soll eine Wagenzuglänge von 550 Metern und ein Gewicht von 1755 Tonnen haben! Nun, die E-Lok wird wohl das Zugziel nie erreichen, dort gibt es keine Oberleitung! In der Gegenrichtung folgt ICE-T 1609 nach München in Form von 411 073, im Hintergrund auf dem Berg das Hotel Wilhelmsburg. Und das Himmelreich? Ein Einheimischer kommt vorbei:"Zur Zeit geschlossen"! Es lohnt sich also nicht, den einen Kilometer hinauf zu laufen. Da reicht der Fleischer hier unten an der Straßenecke für ein belegtes Brötchen. Als ich wieder, ein wenig aufgewärmt, die Fleischerei verlasse, naht von der anderen Seite IC 2208 (München-Berlin). Da die Triebzüge der BR 411/415 inzwischen überall eingesetzt werden, fehlen sie natürlich auf der Strecke, für die sie eigentlich gebaut wurden.
	Aber auch Steuerwagen hat man nicht, so daß sich an diesem Zug 2 Tfz befinden: Vorne rollt 101 134, hinten 101 117.	Von der anderen Seite folgt dagegen die (immer noch gelbe!) Dispolok ES64 U2 013 auf der Rückfahrt nach Eisenach mit RB 16316.

Weiter führt mich mein Weg in Richtung Saaleck. Durch eine Unterführung wechsle ich auf die andere Seite der Strecke, zwischen diese und die Saale hat sich hier eine Wiesenlandschaft geschoben. Auf den erhöht verlaufenden Gleisen naht derweil DGS 99730, die Werksbahn der Leunawerke "Ifra-Leuna" befördert mit ihrer Lok Nr 010 (Typ MaK G 1206) die eigenen Produkte selbst zum Tanklager Weißensee (Thür).

Aber was gibt es denn hier? An der Schnittstelle von ESTW (Bad Kösen) zum Gleisbildstellwerk (Großheringen) gibt es mit Blick zur Burg Saaleck eine mechanische Anrufschranke! Nachdem 411 031 als ICE-T 1509 passiert hat, betrachten wir uns doch einmal alles in Ruhe: Der Besitzer der Wiese aus dem Kösener Ortsteil Lengefeld naht von links, fordert über die linke Sprechstelle vom Fdl die Sperrung der Strecke an, geht, so er diese bekommt, zur neben der rechten Sprechstelle befindlichen, mit Schloß gesicherten Kurbel und hebt die Schrankenbäume. Nachdem der Traktor passiert hat, wird die Schranke wieder heruntergekurbelt und die Strecke freigemeldet. Später bei der Rückfahrt wiederholt sich alles in umgekehrter Reihenfolge....
Auch ein Blick von der anderen Seite der Strecke ist reizvoll: Die Schranke im Schnee vor dem Panorama der Burg Saaleck (rechts) und der Rudelsburg (links)!	Von der anderen Seite nähert sich nun wieder 143 169 im Taurus-Ersatz-Einsatz, diesmal mit RB 16318 nach Eisenach.

Aber nun weiter! Zurück auf die den Ortsteil Lengefeld durchquerende Straße und in Richtung Saaleck gelaufen. Irgendwie wirken die Beinmuskeln wie eingerostet und kommen nur langsam wieder in Gang. Ein Glück, daß bis auf einige Autos die Straße menschenleer ist. Der Ort Saaleck liegt in einer Schleife des Flusses, um zu ihm zu gelangen, muß man diesen auf einer Straßenbrücke überqueren. Daneben poltert gerade 143 858 mit RB-D 19611 zurück nach Saalfeld über die Saale, hoch auf den Felsen thront die Rudelsburg. Von dem darin befindlichen Hotel hat man bestimmt einen hervorragenden Blick in das Tal! Enttäuschung dann nach dem Aufstieg zur Burg Saaleck: Diese ist geschlossen und vom Plateau davor läßt sich nur ein Blick auf die gleichnamige Abzweigung erhaschen.	Unten rechts im Bild am Abzw Saaleck zweigt das Gleis zur Saalebahn ab, um nach einer Rampe weiter hinten die Gleise nach Erfurt zu überqueren. Davor mündet noch am Abzw Großheringen Ost das Gleis von der Saalebahn ein.
Mein Weg führt mich nun nach Abstieg zum Saaleck auf der Landstraße über eine weitere Saalebrücke zur Sonnenseite der Strecke. Im Gegenlicht der Vorfluter, durch den die Straße führt, hin zur Burg Saaleck dagegen die eigentliche Saalebrücke, bei der, wie auch beim Vorfluter, die gemauerten Bögen trotz Rekonstruktion erhalten geblieben sind. 411 083 schießt wahrhaftig hinter dem Burgberg hervor, ICE-T 1558 will nach Wiesbaden.

Im Blockabstand folgt 155 085 mit dem nicht sehr langen EK 55178 von Engelsdorf nach Erfurt Gbf: nur 168 Meter lang ist der Zug, 855 Tonnen hängen am Zughaken der Lokomotive. Was nun? Trotz Sonne vereisen meine Gliedmaßen wieder einmal, zum wievielten Mal eigentlich? Da trifft es sich gut, daß die Straße nach Großheringen jetzt, wenn auch abseits der Strecke, so doch bergauf verläuft. Von oben schweift mein Blick zurück nach Saaleck, zur Seite zu weiteren (diesmal neuen) Saalebrücken und voraus in Richtung Kleinheringen.

	Aber auch Züge erfreuen mich, der ich da im schneidenden Ostwind auf der Anhöhe stehe: TX-Logistik- 185 539 naht mit DGS 95435 auf der Fahrt von München nach Rostock Seehafen, in der Gegenrichtung folgt die schwarze Siemans-Dispolok ES64 U2 028 mit der in Richtung Eisenach verkehrenden RB 16320. Aber nun weiter auf der Straße (oben rechts) nach Kleinheringen! Der einsame Wanderer erntet bestimmt wieder mitleidige Blicke aus den vorbeifahrenden Automobilen, ob der einer Einladung zur Mitfahrt hätte widerstehen können, ist ungewiß. Aber es hat auch niemend gefragt.....
Die Straße führt an Kleinheringen vorbei auf eine enge Brücke unter der hier abzweigenden Saalebahn hindurch zu. Vorher bietet sich aber noch ein reizvoller Blick auf das Überwerfungsbauwerk dieser Strecke! 143 859 hat mit RB-D 16910 nach Naumburg freie Fahrt zum Einbiegen auf die Thüringer Bahn, danach folgt 185 219 mit EZ 50911 von München Nord nach Engelsdorf (Man möge mir den Signalmast verzeihen!) und kurz darauf schnurrt der erste seiner Art, 411 001, als ICE-T 109 nach Innsbruck über das Brückenbauwerk. Da unten in den Alpen wird wohl etwas mehr Schnee liegen, hier ist's nur elend kalt....

	Irgendwie habe ich es jetzt satt! Die Sonnenbahn nähert sich schon wieder dem Horizont und hat die Hoffnung auf ein wenig Wärme zunichte gemacht. So beschließe ich, hier an dieser Stelle abzubrechen und mit der RB um 15:13 Uhr nach Erfurt zu fahren. Etwas Zeit ist aber noch für einige Bilder: Reizvoll der Blick aus der Bahnhofsunterführung zum Bahnsteig 2/3 hinauf sowie ein Foto von der Ansammlung der Hl-Signale am Westkopf des Bahnhofs. Von links nach rechts: Die Signale 517 und 519 befinden sich auf der Südseite des Bahnhofs, nur vom Signal 519 kann auf die Hauptstrecke nach Erfurt übergewechselt werden.	Die Signale 521, 523 und 525 schließen sich auf der Hauptstrecke an, früher gab es noch zwei ? weitere.
Von der Westseite lasse ich noch einen Blick über den Bahnhof schweifen:		Vom Empfangsgebäude in Mittellage ist nur noch ein Rest übrig geblieben, welcher nun aber auch langsam, ungenutzt, verfällt. Kahl liegt die Fläche im grellen Sonnenlicht, wie inzwischen bei vielen Stationen der DB AG. RB 16322 fährt wenig später mit zwei Minuten Verspätung ein, geführt von der schwarzen Dispolok ES64 U2 001. Rechts im Bild noch die erhalten gebliebene Überdachung vom Eingang zum Bahnsteigtunnel. Wohlige Wärme empfängt mich im Zugabteil, kaum jemand sitzt darin, schnell sinke ich in Morpheu's Arme. Bis in Weimar der Zug richtig voll wird - mit Studenten aus Jena. Na, da verschlafe ich wenigstens das Aussteigen in Erfurt Hbf nicht, um 15:58 Uhr ist es soweit.

	Etwa zwanzig Minuten bleiben mir nun zum Kauf eines Brötchens (schnell erledigt) als auch noch zu einigen Bildern vom neuen Hbf. Auf der Südseite steht STB-DPN 80561 nach Meiningen, die beiden hinteren VT werden allerdings in Plaue zur Weiterfahrt nach Ilmenau abgehängt, so auch VT 118 am Schluß. Ein Blick zur Ostseite zeigt 115 205 von DB Autozug, sie betätigt sich als Heizlok. Ziemlich modern, der neue Bahnhof, oder? Aber was brummt denn da auf der Nordseite gerade durch die Halle?
Ein Sprint zum Bahnsteig 1, und an seinem äußeren Ende erhasche ich noch einen Blick auf die kurz vor dem roten Ausfahrsignal haltende Tfzf 93013 der Nordbayernbahn. Eine unerkannt gebliebene V 100 befördert die kalte 232 107 von Neustrelitz zurück nach Aschaffenburg. Vielleicht hat ja jemand diesen Zug auf seiner recht langen Fahrt an diesem Tag gesehen und kann die V 100 identifizieren?
Inzwischen ist auf Gleis 2 der RE aus Altenburg eingefahren. Der bis hierhin führende 612 145/645 wird nun zum hinteren Triebzug, wenn es nach etwa zwanzig Minuten als RB 16295 nach Apolda geht. Da der auf Bahnsteig 1 avisierte ICE-T nach Wiesbaden "wenige Minuten Verspätung" hat, eile ich noch einmal einen Bahnsteig weiter, um diesen Zug noch einmal von der Seite aufzunehmen. Dabei fährt auch noch 182 025 mit RB 16297 aus Eisenach auf der Einfahrt nach Bahnsteig 3b auf der Ostseite des Bahnhofs durch das Bild.