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Regenfahrt zur Blankenheimer Rampe


Am Abend des 17.10.1981 regnete es in Dresden in Strömen. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, am 18.10.1981 die 44'er in Sangerhausen und Blankenheim zu besuchen. Der Wetterbericht verhieß auch für diesen Sonntag nichts Gutes, es war "länger anhaltender Regen" angesagt.
Trotzdem finde ich mich kurz vor 23:00 Uhr auf dem Bahnhof Dresden-Neustadt ein und besteige den D 450. Meine Stimmung lässt ob der an die Fensterscheiben trommelnden Tropfen stark zu wünschen übrig, zum Glück halten die Scheiben des DB-Bm 234 den Regenmassen stand und schön warm ist's im Abteil. So beschließe ich, in Leipzig Hbf nicht auszusteigen und weiter nach Erfurt zu fahren, wo mich die kantinenartige Mitropa-Selbstbedienungsgaststätte wenig einladend empfängt, sie wird nun für dreieinhalb Stunden mein Aufenthaltsort sein. So tue ich es den anderen hier herumlungernden Gestalten gleich und lege den Kopf auf den Tisch, um ein wenig zu schlafen, nur zuweilen unterbrochen von ein paar betrunkenen Schwadronierern. Irgendwann wird dann P 3224, welcher mich nach Sangerhausen bringen soll, kalt und dunkel an den Bahnsteig geschoben, nur langsam schafft es die 110'er während der Fahrt, ein wenig Wärme in die ziemlich leeren Wagen zu pumpen. Zu diesem Zeitpunkt möchte ich eigentlich nur noch umkehren ......


Sangerhausen empfängt mich mit Regen und gähnender Leere an diesem Sonntagmorgen. Müde trotte ich über den Bahnhof, der durch die Dämmerung in ein fahles Licht getaucht wird. Aber was steht denn da auf Gleis 8? 44 0789 vor einem Dg Richtung Nordhausen! Schnell vom Bahnsteig auf die Gleise gehüpft, um ein Bild zu machen, das sieht heute in diesem Nebel eh keiner...... Aber doch, von der nebenan stehenden 44 0225 ertönt ein "Na, na, das ist aber verboten!". Das Personal ist mir aber freundlich gesinnt, und nach Klärung meiner Identität - auch ein Eisenbahner - laden mich die zwei in die Kantine ein, wohin sie sich gerade zur Pause verdrücken wollten. Diese ist ja gleich neben den Gleisen, und so komme ich zu einem herrlich heißen Kaffee sowie zu belegten Brötchen.

Ein interessantes Gespräch mit den beiden "Schwarzen" beginnt, in dessem Verlauf ich eingeladen werde, doch auf der Lok nach Niederröblingen mitzufahren. Bei diesem Wetter eine wunderbare Lösung! Also, mit 44 0225 auf nach Niederröblingen!

44 0789 mit Dg nach Nordhausen in Sangerhausen

44 0225 mit 58702 in Niederröblingen
44 0225 beim Umsetzen in Niederröblingen 44 0225 mit Gag 57413 in Niederröblingen

44 0225 obliegt an diesem Tag der Kupfererz-Pendelverkehr zwischen Niederröblingen und Helbra. Diese knapp 1000 Tonnen schweren Ganzzüge sind mehrmals täglich über die Blankenheimer Steige zu fahren, die geleerten Wagen dann in der Gegenrichtung. So ist man nun mit 58702 in Niederröblingen angekommen (rechts oben) und setzt sofort an die Spitze des beladenen Gag 57413. Während der Zugfertigstellung sorgt das Personal mit einem heißen Wasserstrahl für saubere Radreifen, ein Muß bei diesem Schmuddelwetter, um Sand zu sparen und in der Steigung nicht liegenzubleiben.

44 0225 mit Gag 57413 in Niederröblingen 44 0225 mit Gag 57413 in Niederröblingen 44 0225 mit Gag 57413 in Niederröblingen
44 0225 verläßt mit Gag 57413 den Bf Niederröblingen

Aber nun geht es los! Der Zug setzt sich in Bewegung und passiert die Schranke an der Ausfahrt, um auf der Nebenbahn, welche in der anderen Richtung ehemals bis Allstedt verlief, mit 50 km/h nach Oberröblingen an der Strecke Erfurt-Sangerhausen zu gelangen.

44 0225 verläßt mit Gag 57413 den Bf Niederröblingen

 

44 0225 mit Gag 57413 in Oberröblingen

In Oberröblingen geht es wegen Zugfolge erst einmal nicht weiter, das Lokpersonal nutzt die Pause zur Wartung der Pumpen. Weiter! Ein kurzer Halt in Sangerhausen, dann wird es Ernst! Die Blankenheimer Steige wartet schon auf das Kräftemessen mit der 44'er!

Hinter der Feuertür bullert der Ölbrenner, schwer hängen die Wagen an Zughaken und Tenderkupplung und lassen die Lok ächzen und knarren, wenn sie sich in die Kurven legt. Riestedt und Blankenheim ziehen vorüber und die Dunkelheit des Tunnels hüllt uns ein, um uns herum das Tosen der Elemente Feuer und Wasser! Es wird wieder hell und die Maschine poltert über die Weichen des Trennungsbahnhofs. Leider muß ich hier absteigen, dem Lokführer ist das Risiko, daß ich im Werkbahnhof Helbra entdeckt werde, zu groß! So stolpere ich glücklich durch Gestrüpp und strömenden Regen zur Straße.

44 0225 mit Gag 57413 in Blankenheim Trbf 44 0225 mit 58704 in Blankenheim

Wie nun nach Blankenheim kommen? Durch den Tunnel sollte man nicht laufen, so bleibt mir nur eine Wanderung über den Bergkamm übrig. Auf der anderen Seite in Blankenheim begegnet mir 44 0225 noch einmal, diesmal auf der Rückfahrt mit dem Leerzug 58704 (oben rechts). Ich laufe ein paar Meter in Richtung Sangerhausen und schon kommen die nächsten Züge den Berg herauf: 131 028 vom Bw Halle G jault mit einem Lgo "in die Kohle" am Fdl-Stellwerk vorbei, gefolgt von der sich "mit Tender voran" vor einem Kesselwagenzug abmühenden 44 0546, unterstützt von einer unerkannt gebliebenen 110'er am Zugschluß. Wahrscheinlich handelt es sich um den Solependel nach Teutschenthal, der verkehrt normalerweise aus mir unbekannten Gründen "mit Tender voran".

131 028 mit Lgo in Blankenheim 44 0546 mit Kesselwagen-Gag in Blankenheim Schiebelok BR 110 bei Kesselwagen-Gag in Blankenheim

Ein kleines Stück geht es nun in Richtung Sangerhausen, da kündigt sich auch schon mit einer gewaltigen Rauchwolke der nächste Zug an: 44 0789 mit einem Dg, vom Weichenwärter "Bw" weiter unten auf das wahrscheinlich schon einige Stunden nicht genutzte und daher recht schlüpfrige Überholgleis geleitet. Langsam und mit den Rädern immer wieder durchdrehend und sandend, nähert sich die Lok mit dem schweren Zug in der Steigung dem Zwischensignal T in der Hoffnung, dass sich dessen beide Flügel doch noch heben und der Zug nicht aus dem Stand anfahren muß. Aber vergeblich, die ganze Fuhre kommt vor dem Signal zum Stehen und der wütende Lokführer steigt ab und telefoniert am Fernsprecher mit dem Fdl...

44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim 44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim 44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim 44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim
44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim

Wütend schaut er zu mir her, droht mir sogar mit der Faust (Das habe ich mich nicht getraut zu fotografieren!), weil er wohl vermutet, dass "der Fotograf" an diesem Betriebshalt nicht ganz unschuldig ist! Aber ich schwöre: "Ich war es nicht!"; Nein, Schuld hat die Rbd Magdeburg, die den Zug erst hinter dem verspäteten P 3226 nach Schönebeck, welcher auf dem rechten Bild mit 110 619 schließlich überholt, abgenommen hat. Aber ob dieses Wissen ihn besänftigt hätte? Er muss nun zusehen, wie er den Zug in der Steigung ohne Schiebelok wieder losbekommt!

Überholung in Blankenheim

Dann heben sich die Signalflügel. Ganz vorsichtig versucht der Lokführer eine Anfahrt. Zwecklos, die Räder drehen durch. Ohne gleichzeitiges Sanden hat er keine Chance. Eine Weile müht er sich ab, dann nähert sich der Zug in einer Walze aus Dampf meinem Standort. Ich werde darin eingehüllt, ganz nah neben mir die tosende Lokomotive. Noch lange brechen sich ihre Abdampfschläge in den Bergen um Blankenheim, bis der Zug in den Tunnel eintaucht und dort dann auch den Brechpunkt der Strecke erreicht.

44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim 44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim
44 0789 mit Dg nach Güsten in Blankenheim

Da hat es aber 44 0890 besser, die mit ihrem Leerwagenzug den Tunnel mit dem Brechpunkt schon hinter sich hat und nun ohne große Anstrengung den Berg bis Sangerhausen herunterrollen kann. Jetzt kommt heraus, wenn die Angaben auf dem Bremszettel nicht der Wahrheit entsprechen! Langsam durchnäßt der Regen meine ganze Kleidung, und die Kälte kriecht von den klammen Füßen die Beine hinauf. Zeit, sich ein wenig zu bewegen und nach Riestedt zu wandern!

44 0890 mit Ganzzug aus leeren G-Wagen in Blankenheim
44 0304 mit Ganzzug in Blankenheim

Aber ich komme überhaupt nicht zum Weiterlaufen! Schon nähert sich der nächste Zug, 44 0304 donnert mit einem Kali-Ganzzug am Zwischensignal vorbei. Die Lok gehört auch zu denen, die wegen Mangel an Material mit LKW-Scheinwerfern ausgerüstet worden sind. Sehr schön sieht's nicht aus!

44 0304 mit Ganzzug in Blankenheim

44 0304 mit Ganzzug in Blankenheim

Auch diese Lok entschwindet in schneller Fahrt zum Blankenheimer Tunnel hin, in der dunstigen Luft eine sich nur langsam auflösende Dampfwolke hinterlassend. Aber nun los, vor Anbruch der Dunkelheit will ich Riestedt erreicht haben.

Ich bin noch nicht am Ende der dreigleisigen Strecke angelangt, da überrascht mich auch schon der nächste Zug! Die Zuglok habe ich, warum auch immer, nicht festgehalten, aber die Schiebelok ist doch auch schon wieder ein Erlebnis für das Herz des Eisenbahnfreundes, als sie vobeidonnert. Aufmerksam beobachtet deren Personal die Strecke und besonders den geschobenen Zug. Nachschieben will gelernt sein, die Leistung der schiebenden Lok muss der der Zuglok angepasst werden, um den Zug nicht zu zerren oder zu stauchen, um Zugtrennungen bzw. auch Entgleisungen zu vermeiden. Und bei Einfahren in den Tunnel mit dem darinliegenden Brechpunkt gilt es doppelt aufzupassen! Ich wandere nun weiter nach Riestedt, die schon vorher mangelhafte Helligkeit geht nun schon wieder in die Dämmerung über.

Nachschieben bei Blankenheim Nachschieben bei Blankenheim Nachschieben bei Blankenheim
44 0056 donnert mit einem Dg durch Riestedt 44 0056 donnert mit einem Dg durch Riestedt

Ich habe vor, mit P 4551 zurück nach Halle zu fahren. Kurz vorher wummert, sozusagen zum Abschied, 44 0056 mit ihrem Dg durch den Bahnhof. Mit dem nachfolgenden Personenzug hatte ich bis Halle keine Chance, sie einzuholen.


Zufrieden setze ich mich in meinen Personenzug, von den sonntäglich herausgeputzten Reisenden wegen meines durchnäßten Aussehens mißtrauisch beäugt. Über Halle und Leipzig geht's zurück nach Dresden.

Nachzutragen bleibt noch, dass ich mir an diesem Tag eine Kopfgrippe geholt habe, die mir fast eine Woche lang ziemlich zugesetzt hat. Wenn auch die gezeigten Bilder vielleicht nicht allen gefallen, so strahlen sie irgendwie eine düstere Schönheit aus, die mich beim Betrachten immer wieder beeindruckt. Es sind nicht alle Bilder, die ich hier in meine Erzählung eingebunden habe, diese und die restlichen dieses Tages sind aber alle im Bildarchiv zu finden, oder Sie lassen diese als Slideshow noch einmal vorbeiziehen lassen (FlashPlayer erforderlich): Hier klicken! .
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